Saar-Regierung zwischen Verrat und Neuanfang

Saarbrücken. Die Messlatte für die heutige Regierungserklärung von Annegret Kramp-Karrenbauer liegt hoch. Muss sie doch dem angeschlagenen Jamaika-Bündnis wieder eine neue Perspektive geben. Das Vertrauen zwischen den Koalitionspartnern ist spätestens seit ihrer Wahl zur Ministerpräsidentin schwer beschädigt

Saarbrücken. Die Messlatte für die heutige Regierungserklärung von Annegret Kramp-Karrenbauer liegt hoch. Muss sie doch dem angeschlagenen Jamaika-Bündnis wieder eine neue Perspektive geben. Das Vertrauen zwischen den Koalitionspartnern ist spätestens seit ihrer Wahl zur Ministerpräsidentin schwer beschädigt. Mindestens zwei Abgeordnete von CDU, FDP oder Grünen haben ihr im ersten Wahlgang die Gefolgschaft verweigert. Mindestens ein Abgeordneter hat in beiden Wahlgängen den überraschend angetretenen SPD-Gegenkandidaten Heiko Maas gewählt. Solche Abweichler hat es auch schon in anderen Länderparlamenten gegeben. Doch gerade ein schwieriges Dreier-Bündnis mit knapper Mehrheit ist auf Loyalität und Koalitionstreue besonders angewiesen. Der Geruch des Verrats wird deshalb den gemeinsamen Weg weiter begleiten - wie kurz oder lang er auch sein mag.Hinter den Kulissen wird viel über mögliche Motive der Abweichler spekuliert. Besonders häufig wird dabei im Regierungslager der eigenwillige FDP-Fraktionsvize Horst Hinschberger genannt. Offiziell will sich niemand dazu äußern. Da Hinschberger aber bereits Strafanzeigen gegen Parteifreunde im Zusammenhang mit der Liberalen Stiftung Saar gestellt hat und mehrfach in Sachfragen die Koalitionslinie verlies, gilt er als Hauptverdächtiger. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass er sich um eine gut dotierte Position bei einem Unternehmen mit Landesbeteiligung bemüht haben und dabei abgeblitzt sein soll. Für Hinschberger selbst sind diese Verdächtigungen seiner Koalitionspartner und Parteifreunde "unverantwortliche Spekulationen", die jeder Grundlage entbehren. Er sei "ein großer Befürworter von Kramp-Karrenbauer". Für ihn habe es keinen Grund gegeben, sie nicht zu wählen.

Da Abweichler in geheimen Wahlen ihr Geheimnis meist mit ins Grab nehmen, sind die Grundlagen für weitere Spekulationen gelegt. Entsprechende Verdächtigungen können in der Regel weder bewiesen noch entkräftet werden. Die Belastung für das Koalitionsklima aber bleibt. Hinweise darauf, dass Maas und Linken-Fraktionschef Oskar Lafontaine von zwei Abtrünnigen aus dem Regierungslager gewusst haben sollen, bieten weiter gehenden Verschwörungstheorien Nahrung. Einige Abgeordnete der Opposition waren erkennbar enttäuscht, dass Maas nur 25 Stimmen erhielt. Sie hatten offenbar mit 26 Stimmen und einer politischen Sensation gerechnet.

In jedem Fall hat die Fassade einer immer wieder versicherten vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten des Jamaika-Bündnisses erkennbare Risse bekommen. Der zurückgetretene Ministerpräsident Peter Müller hatte Konflikte immer wieder heruntergespielt und im Vorfeld der Wahl versichert, dass die Mehrheit sicher stehe. Dies war eine Fehleinschätzung.

Kramp-Karrenbauer bewertet ihren Rückhalt und die Situation erkennbar realistischer. Auch für ihre heutige Regierungserklärung im Landtag darf man mit anderen und leiseren Tönen als bei ihrem Vorgänger rechnen. Neben dem selbstverständlichen Bekenntnis zur Eigenständigkeit des Saarlandes wird erwartet, dass sie die Menschen im Land auf unvermeidbare Sparanstrengungen vorbereitet. Vieles spricht für eine solide Regierungserklärung, wenig für eine glanzvolle Vorstellung.

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