Russland in der Falle

Auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo spielen Journalisten in diesen Tage Fangen. Ein teils absurdes Spiel um den US-Flüchtling Nummer 1, den früheren NSA-Mitarbeiter Edward Snowden.

Mit seinem Versteckspiel in Russlands Hauptstadt ist der 30-Jährige zum Trumpf in den Händen von Präsident Wladimir Putin geworden. Für den macht- und prestigebewussten Kreml-Herrscher ist die Versuchung groß, den kleinen Programmierer im ewigen Kräftemessen mit den USA einzusetzen, vielleicht sogar im Austausch für den russischen Waffenbaron Viktor But, den Amerika festhält?

Doch Snowden ist auch eine Belastung für Russland. Putins Worte, der russische Geheimdienst stehe nicht mit dem "Whistleblower" in Verbindung, wirken kaum glaubwürdig. Der Amerikaner wartet zwar offenbar irgendwo im Transitbereich des Flughafens. Völkerrechtlich ist aber auch dieses Terrain russisches Staatsgebiet. Man könnte Snowden, einen Mann ohne Pass und Visum, also durchaus festsetzen. Für Russlands Präsident bleibt er aber ein "freier Mann". Damit hat der Amerikaner so etwas wie Geleitschutz von höchster Stelle.

Für die Öffentlichkeit ist Snowden wie vom Erdboden verschluckt. Einer, der die Mission hatte, der amerikanischen Intransparenz und Geheimniskrämerei ein Ende zu bereiten, ist selbst zum größten Heimlichtuer geworden - der die Welt zum Narren hält.

Die Rollen zwischen den USA und Russland sind nun vertauscht. Das oft kritisierte Moskau kann sich als der Retter von "Dissidenten" und "Menschenrechtlern" gerieren. Dabei sagt Putin selbst völlig zu Recht: "Je kürzer Snowdens Aufenthalt hier, desto besser, für ihn - und für Russland."

Denn neben diesem kurzfristigen Streit gibt es deutlich tiefer gehende und wichtigere Kontroversen zwischen Moskau und Washington, etwa um Syrien oder um den amerikanischen Raketenschirm. Schon da tritt Putin im Machismo-Stil selbstbewusst auf und gibt sich immer undiplomatischer im Ton. Da Russland sich stets übergangen fühlt - zuletzt in der Zypern-Frage - versucht es, sich mit lautem Getöse Gehör zu verschaffen. Sicher: Solch scheinbare Stärke nach außen wird im Innern geschätzt. Doch auf diese Weise stößt Russland seine Partner immer mehr vor den Kopf. Eine langfristige Vergiftung der Beziehungen käme auch Putin ungelegen. Russlands marode Wirtschaft braucht westliche Investitions-Milliarden.

Schon allein deshalb darf Moskau Washington nicht auch noch im Fall Snowden unnötig verprellen. Die lange Verzögerung - weder die Ausweisung noch Einreise waren bislang eine Option - zeigt, dass Moskau nun lieber zwei Mal nachdenkt, bevor es handelt. Wie Snowden sitzt auch Russland in der Falle.

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