Rivalität unter Freunden

Meinung · Die Erwartungen sind hoch: Nie wieder soll eine Krise Europa derart aus dem Tritt bringen, wie dies in den zurückliegenden Jahren geschehen ist. Der Brüsseler Doppelschlag, so gibt man sich überzeugt, kann dies verhindern. Zum einen weil er Regierungen zu Haushaltsdisziplin zwingt. Zum anderen weil man nun für Notfälle einen rechtlich sauberen und dauerhaften Rettungsschirm parat hat

Die Erwartungen sind hoch: Nie wieder soll eine Krise Europa derart aus dem Tritt bringen, wie dies in den zurückliegenden Jahren geschehen ist. Der Brüsseler Doppelschlag, so gibt man sich überzeugt, kann dies verhindern. Zum einen weil er Regierungen zu Haushaltsdisziplin zwingt. Zum anderen weil man nun für Notfälle einen rechtlich sauberen und dauerhaften Rettungsschirm parat hat. Es geht also um zwei Seiten der gleichen Medaille, die nur zusammen funktionieren - und gerade deshalb noch lange nicht wirken können. Weite Teile der Union sind Welten von den angestrebten Zielen entfernt. Griechenland, Irland, Spanien, ja sogar die Bundesrepublik entspricht den selbst gesteckten Anforderungen nicht, noch nicht. Ob sich das wirklich ändert, steht in den Sternen. Europa setzt richtigerweise nicht mehr allein auf Haushaltsdisziplin, sondern - was gerne übersehen wird - darüber hinaus auf die Verbesserung jener Indikatoren, die man unter dem Stichwort "Wettbewerbsfähigkeit" zusammenfasst. Brüssels Macht und Einfluss gehen damit weit. Schon bei der ersten Durchsicht der künftigen Etats wird sich die Kommission auch in sensible Themen wie Lohnhöhen einmischen. Der Streit ist nicht zu Ende, er geht erst richtig los. Denn die bisherigen Erfahrungen zeigen: Sparen alleine bringt zwar gesunde Staatsfinanzen, aber nicht das notwendige Wachstum, das zur Sanierung der Etats ebenso nötig ist. Spätestens mit dieser Erkenntnis werden aus den 27 Freunden von Brüssel auch Konkurrenten auf dem europäischen und Weltmarkt, die nur allzu gerne alles zu tun bereit sind, um den eigenen Herstellern und Dienstleistern mit allen Mitteln unter die Arme zu greifen. Der Trend zum Protektionismus, der eine Gemeinschaft wie die EU von innen auffrisst, ist ungebrochen. Daran ändern auch die hehren Versprechungen zur Solidarität nichts, die die neue Anti-Krisen-Architektur beinhaltet. Der europäische Zusammenhalt steht in der Tat auf dem Spiel. Die Harmonie wird nicht nur durch deutsch-französische Alleingänge gestört, sondern auch durch das bei diesem Gipfel deutlich gewordene Zerreißen der EU in zwei Teile. Während der harte Kern der Euro-Mitglieder um die Zukunft dieser Zone rang, demonstrierten die strikten Euro-Gegner fast schon beschämend desinteressierte Langeweile. Dabei müsste eigentlich allen klar sein: Der Euro geht alle an. Wenn er scheitern sollte, stürzen alle ab. Wenn er jedoch zu einem wirklich stabilen Faktor auf dem Weltmarkt entwickelt werden kann, profitiert jeder. Auch die Nicht-Euro-Länder.

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