Regieren auf Pump

Meinung · Das Bundeskabinett hat einen Rekord aufgestellt, auf den niemand stolz sein kann. Mehr als 50 Milliarden Euro muss sich Kassenwart Peer Steinbrück pumpen, um den wirtschaftlichen Abschwung zu bremsen. Eine unvorstellbare Summe zur Begleichung der Steuerausfälle, für zusätzliche Investitionen, die Stützung der Auto-Industrie und eine bescheidene Entlastung der Bürger

Das Bundeskabinett hat einen Rekord aufgestellt, auf den niemand stolz sein kann. Mehr als 50 Milliarden Euro muss sich Kassenwart Peer Steinbrück pumpen, um den wirtschaftlichen Abschwung zu bremsen. Eine unvorstellbare Summe zur Begleichung der Steuerausfälle, für zusätzliche Investitionen, die Stützung der Auto-Industrie und eine bescheidene Entlastung der Bürger. Da klingt es fast wie Hohn, wenn Haushaltsexperten der Union auf mittlere Sicht Steuersenkungen versprechen und bis Ende 2013 einen ausgeglichenen Bundesetat. Optimismus ist sicher eine politische Parade-Disziplin. Aber er sollte nicht in Volksverdummung gipfeln. Wahr ist, dass es derzeit keine vernünftige Alternative gibt zur verschärften Schuldenmacherei. Wahr ist aber auch: Die Neuverschuldung des Bundes wäre heute deutlich niedriger, hätte die Bundesregierung ihre Haushaltskonsolidierung nicht als Lizenz für Steuererhöhungen verstanden, sondern in erster Linie die Ausgaben begrenzt. Schlimmer noch: Wenn es in sonnigen Wirtschaftsjahren nicht gelang, die Kreditaufnahme auf Null zu drücken, warum sollte es im Abschwung funktionieren? Sicher, die Koalition hat sich jetzt auch eine stärkere Schuldenbremse auf die Fahne geschrieben. Doch die Tilgung des Sonderfonds, in dem alle finanziellen Folgen des jüngsten Konjunkturpakets gebündelt sind, soll allein vom jährlichen Bundesbank-Gewinn abhängen. Verlässliche Prognosen darüber gibt es aber nicht. Somit ist völlig ungewiss, wann die Schulden aus dem Hilfspaket abgetragen sind.Ist die Koalition ernsthaft besorgt wegen der zerrütteten Staatsfinanzen, dann muss sie beim ersten Anzeichen wirtschaftlicher Belebung alle Ausgaben auf Plausibilität überprüfen. Der Staat subventioniert immer noch zu viele Organisationen und Projekte. Und er hält seine schützende Hand über ineffiziente Bundesverwaltungen, die mit deutlich weniger Personal auskommen könnten - ein unhaltbarer Zustand. Angesichts der Milliarden, die der Bund nun in die Hand nimmt, verbietet sich auch die Forderung nach Steuersenkungen. Mit dem Konjunkturpaket beschloss die Koalition gerade erst einen Extrazuschuss für die gesetzliche Krankenversicherung. So gesehen stehen die Zeichen eher auf Anhebung der Steuern. Eine seriöse Steuerreform könnte allenfalls mehr Gerechtigkeit bringen. Am Ende mag man sich sogar wünschen, dass die große Koalition über das Wahljahr hinaus Bestand hat. Für ihre jetzigen Schwüre zu Etat-Sanierung und Schuldenabbau müsste sie dann nämlich selbst gerade stehen.

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