Reformen - oder Krieg

Meinung · Nordkoreas neuer Machthaber tritt auf, wie sein Vater abgetreten ist: mit einer militärischen Machtdemonstration. Die Botschaft ist klar: Keiner soll glauben, der junge Kim sei weniger gewaltbereit als sein Vater, der Nordkorea zur Atommacht aufrüstete und die Welt mit seiner Bombe erpresste

Nordkoreas neuer Machthaber tritt auf, wie sein Vater abgetreten ist: mit einer militärischen Machtdemonstration. Die Botschaft ist klar: Keiner soll glauben, der junge Kim sei weniger gewaltbereit als sein Vater, der Nordkorea zur Atommacht aufrüstete und die Welt mit seiner Bombe erpresste.Die Vorstellung, dass ein knapp 30-jähriger Tyrannensprössling nun über Nuklearwaffen verfügen könnte, ist beängstigend. Zumal es viele Anzeichen gibt, dass Kim Jong Un einen wackligen Thron besteigt und leicht dazu verleitet sein könnte, sein Glück in militärischen Abenteuern zu suchen, um sich Respekt zu verschaffen.

Wer in Nordkorea nach dem Tod des "Geliebten Führers" allerdings tatsächlich das Sagen hat, ist ein großes Rätsel. Kim Jong Il bemühte sich stets, unberechenbar zu sein, und doch waren seine Bedrohungsstrategien durchschaubar. Mit seinem Tod ist Nordkorea nun wirklich zu einer weltpolitischen Unbekannten geworden. Eine der wenigen Gewissheiten besteht darin, dass der Veränderungsdruck in dem verarmten Land gewaltig ist und stetig wächst. Das kann im besten Fall zu Reformen, im schlimmsten Fall zum Krieg führen.

Sicher ist auch, dass Kim III. eine ungleich schwächere Machtbasis hat als sein Vater und Großvater. Kim Il Sung regierte mit dem Charisma eines Revolutionshelden, der sich seine Position im Krieg gegen Japaner und Amerikaner erkämpft hatte und seinem Volk die Vision eines Neuanfangs nach sowjetischem Vorbild aufzeigen wollte. Kim Jong Il konnte mit der Ausstrahlung seines Vaters zwar nicht mithalten, sich dafür aber jahrzehntelang auf seine Machtübernahme vorbereiten und seine Stellung in der Partei und im Militär absichern. Kim Jong Un hat dagegen erst vor einem Jahr die politische Bühne betreten, und obwohl ihm sein Vater ein Machtgeflecht aus Getreuen gesponnen zu haben scheint, bleibt für seine Legitimation nur der Restglanz eines Gründerenkels. Selbst wenn Nordkoreas Propaganda-Apparat um den dritten Kim in der Öffentlichkeit einen ähnlichen Personenkult inszenieren sollte wie um seine Vorfahren, ist seine Autorität in den Eliten doch gering.

Das politische Überleben von Kim Jong Un und seiner Verbündeten hängt deshalb maßgeblich davon ab, dass sie die Privilegien der Regimeträger sichern können. Das wird zunehmend schwierig. Je mehr Nordkorea international auf Konfrontationskurs geht, umso weniger kommt es an Devisen, die es braucht, um die Eliten mit teuren Importwaren zu versorgen. Eine größere Integration in die Weltgemeinschaft ist für das Regime aber gleichermaßen gefährlich. Denn wenn dem nordkoreanischen Volk bewusst würde, wie brutal seine Regierung es vom Fortschritt abgeschnitten hat, würde es seine Illusionen über die Kims schnell verlieren.

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