Präsidentschaftswahl in Russland Putins Wahlsieg ist sicher, aber nicht sein Triumph

Moskau Am meisten Aufmerksamkeit erhielt im Westen am Wochenende der Russe Alexei Nawalny. Die Wahlkommission lehnte wie erwartet die Kandidatur des prominentesten Kreml-Kritikers bei der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr wegen einer fragwürdigen Unterschlagungs-Vorstrafe ab. Am Wochenende machten sich aber auch andere russische Parteien startklar für die Präsidentschaftswahlen.

Die wichtigste Aufgabe der Kreml­partei „Einiges Russland“ (ER) bestand dabei darin, sich hinter Kandidat Wladimir Putin zu stellen, ohne ihn aber als ihren Vertreter ins Rennen zu schicken. Denn Wladimir Putin geht als Wladimir Putin in die Wahl. Er brachte sich selbst als Kandidat ins Gespräch und will sich von niemandem vereinnahmen lassen. Der Kremlchef ist bedacht darauf, über den Parteien zu stehen und für alle Bürger wählbar zu sein.

Dass er gewinnt, steht außer Frage. Nur wird die Wahlbeteiligung auch ausreichend sein, um aus dem Sieg einen Triumph zu machen? Wahlforscher bezweifeln dies. Der Kreml ließ daher schon das ursprüngliche Ziel fallen, den Urnengang zum Vertrauensreferendum für den „lider“ der Nation aufzuwerten.

Nach gefälschten Duma-Wahlen 2011 und Massenprotesten sagte sich der Präsident schon vom Kreml­wahlverein ER los. Damals zog die Opposition gegen die Kremlpartei mit dem Slogan zu Felde: „Partei der Diebe und Gauner“. Putin distanzierte sich erstmals von der herrschenden Kreml-Camarilla. Im nächsten Jahr gründete er in Anlehnung an die DDR eine Nationale Front. Eine Sammlungsbewegung aller Parteien und Bewegungen. Für die Wahl 2018 dachte sich der Kreml etwas Neues aus. Eine Initiativgruppe, der 600 Honoratioren aus Sport, Kultur und Politik angehören und Putin auf ihre Fahne heben. Jedoch auch nicht exklusiv als ihren Kandidaten.

Die Vorhersehbarkeit des Ausgangs treibt skurrile Blüten. Selbst überzeugte Parteigänger des Präsidenten ziehen es vor, nicht zur Wahl gehen zu müssen. Auch altgediente Sparingspartner im Wahlkampf sind inzwischen der Rolle überdrüssig. So lässt der Generalsekretär der Kommunistischen Partei Russlands, Gennadij Sjuganow, nach 25 Jahren erstmals einen jüngeren Kandidaten zum Schaukampf auflaufen.

Die meisten Bewerber warteten bis zuletzt mit der Bekanntgabe der Kandidatur. Auch Putin zierte sich. Als sei die Wahl ein unangenehmer medizinischer Eingriff. Ob er sich überhaupt noch eine Kampagne antun müsse, schien der Kremlchef zu überlegen. Der russische Politikwissenschaftler Sergei Medwedjew verglich den Urnengang hingegen mit den Spielen der „Nächtlichen Hockeyliga“, in der Putin gegen Untergebene antritt und selten unter acht Pucks ins Netz schiebt.

Bislang fehlt jedoch auch noch ein Wahlprogramm. Es wird nachgereicht. Mehr als ein Aufguss früherer Verheißungen ist jedoch nicht zu erwarten. Verbesserungen im Gesundheits- und Bildungswesen sprach der Präsident an. Reicht das?, fragen russische Beobachter. Putin steckt als Wahlkämpfer ohnehin in einem Dilemma. Sollte er notwendige Verbesserungen nach 18 Jahren Amtszeit ankündigen, wird manch einer fragen, warum erst jetzt und ob die Zeit denn noch ausreicht? 2024 dürfte Putin – eigentlich – nicht nochmal antreten.

Was heißt das für die Weltpolitik? Der Moskauer Elite fehlen Zukunftsgewissheit und -visionen. Wie einst der UdSSR ordnet Moskau die eigene Politik der Konfrontation mit den USA unter. Ob in Syrien, China, Europa oder dem postsowjetischen Raum, auch heute bleibt der Kreml auf Washington fixiert. Entspannung würde Russland wieder in Turbulenzen stürzen und das Herrschaftssystem infrage stellen.

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