Putins Schattenmann hat sich verdrückt

Moskau. Es war im vorigen September. Ein grauer Tag in Moskau, ein Parteitag, der das große Land ins Wanken brachte, wenn auch mit Verzögerung. Dmitri Medwedew, Russlands 46-jähriger Staatschef mit dem Lausbubengesicht, ging als Präsident in die Menge hinein. Als Präsident auf Abruf kam er heraus. Es war sein politisches Ende. Als Medwedew an jenem 24

 Staatstragend: Dmitri Medwedew im Dezember 2011 bei seiner Rede zur Lage der Nation. Foto: dpa

Staatstragend: Dmitri Medwedew im Dezember 2011 bei seiner Rede zur Lage der Nation. Foto: dpa

Moskau. Es war im vorigen September. Ein grauer Tag in Moskau, ein Parteitag, der das große Land ins Wanken brachte, wenn auch mit Verzögerung. Dmitri Medwedew, Russlands 46-jähriger Staatschef mit dem Lausbubengesicht, ging als Präsident in die Menge hinein. Als Präsident auf Abruf kam er heraus. Es war sein politisches Ende.Als Medwedew an jenem 24. September 2011 ganz demütig die Macht an Premierminister Wladimir Putin übergab, indem er ihn als seinen Nachfolger im Präsidentenamt vorschlug, trat offen zutage, was in den knapp vier Jahren seiner Amtszeit immer wieder gemunkelt worden war: Medwedew ist lediglich der Schattenmann Putins, der Platzhalter für seinen Vorgänger. Von Tag zu Tag wird es stiller um ihn, den formal immer noch wichtigsten Mann in Russlands gelenkter Demokratie. Die Bilder - im Fernsehen wie auf der Straße - gehören dem Premier: Putin in den Nachrichten, Putin in Sträflingskleidung auf den Plakaten der Demonstranten. Putin macht Wahlkampf. Medwedew erzählt derweil Siebtklässlern in der russischen Provinz, wie gern er doch Lehrer geworden wäre. Imponierend ist das nicht. Selbst Stanislaw Goworuchin, der Leiter von Putins Wahlkampagne, meinte kürzlich: "Ich habe den Eindruck, dass Medwedew zu sehr den Mund hält. Es wäre angemessener, er würde sich mehr an der Kampagne des Mannes beteiligen, den er selbst als Präsidenten des Landes vorgeschlagen hat." Igor Jurgens, Leiter des Moskauer Instituts für moderne Entwicklung und Berater des Präsidenten, wirft Medwedew vor, er fahre Russland "ohne jegliche Orientierung frontal gegen die Wand".

Dabei hatte der Professorensohn aus St. Petersburg zunächst so viele Hoffnungen geweckt - auf die Öffnung des Landes, auf Reformen, das Ende der Korruption und den Anfang des Rechtsstaates. Mit einem solchen Programm war er am 7. Mai 2008 angetreten. Drei Monate zuvor hatte er sich Wirtschaftsführern im sibirischen Krasnojarsk präsentiert mit dem Satz "Freiheit ist besser als Unfreiheit". Seine Ankündigungen waren forsch, sie überzeugten seine Landsleute und den Westen. Kleine Schritte bei der Abschaffung vielfältiger Kontrollen ließen die Russen durchatmen. Der Präsident galt zwar als schwächlich, aber doch als der freiheitlichere Mann an der Spitze des Staates.

 Staatstragend: Dmitri Medwedew im Dezember 2011 bei seiner Rede zur Lage der Nation. Foto: dpa

Staatstragend: Dmitri Medwedew im Dezember 2011 bei seiner Rede zur Lage der Nation. Foto: dpa

Doch Medwedew war von Anfang an ein Staatschef von Putins Gnaden. Einen Bruch mit seinem politischen Ziehvater hat der Jurist, der unter Putin schon Vize-Regierungschef war, nie gewagt. Sechs seiner 14 wichtigsten Versprechen habe er tatsächlich gehalten, mokierte sich die liberale Tageszeitung "Kommersant". Darunter die Zeitumstellung, die Einführung von Energiesparlampen und die Senkung der Prozenthürde bei der Parlamentswahl. Die Korruption wuchert derweil weiter, die russische Justiz ist keineswegs unabhängig geworden. Die Modernisierung des Landes hat bei Wachstumsraten von vier Prozent noch große Lücken, und das politische System erfuhr lediglich kosmetische Änderungen. Eine magere Bilanz.

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