Putins Nullsummenspiel

Viele Deutsche fürchten einen neuen kalten Krieg mit Moskau. Dabei ist der schon im Gange.

Mit Drohungen, Sanktionen, Stellvertreter-Kämpfen und Desinformation. Auch diplomatische Volten, wie der gestrige Appell von Präsident Wladimir Putin, das Unabhängigkeits-Referendum in der Ost ukraine zu verschieben, ändern daran nichts. Sie zeigen nur, wie sehr Putin die Lage kontrolliert.

Das westliche Bündnis und Russland betrachten sich nicht mehr als Partner. Da ist es zwingend, dass sich Nato-Verantwortliche wie der Oberkommandierende Philip Breedlove Gedanken über die Sicherung der Ostgrenze machen. Eine Erkenntnis des letzten Jahrhunderts lautet: Verteidigungsbereitschaft kann verhindern, dass aus kalten heiße Kriege werden.

Putin versteht diese Sprache. Die Krise zeigt glasklar, dass er ein eiskalt kalkulierender Interessenpolitiker ist. Der Westen wirbt in der Ukraine für eine Win-win-Lösung, bei der jeder profitiert. Doch Putin sieht darin ein Nullsummenspiel mit einem Sieger. Und das ist aus seiner Sicht völlig rational. Denn eine starke, demokratische Ukraine gefährdete seine autokratische Herrschaft. Und für Moskau kann es sich in künftigen Konflikten, etwa um Rohstoffe, auszahlen, jetzt Muskeln zu zeigen und der Welt Angst zu machen.

In der Ukraine spielt Putin daher seine Karten aus. Neben der militärischen Drohung ist die glatte Lüge seine schärfste Waffe. Russische Staatsmedien manipulieren die Menschen in der Ostukraine mit frei erfundenen Geschichten über KZs, Juden-Pogrome und Flüchtlingsströme. Kalt lächelnd zeichnet Putin Journalisten aus, die sich auf dieses üble Spiel einlassen. Die perfide Strategie ist so erfolgreich, dass die Nato derzeit nicht mit einer offenen Intervention Russlands in der Ukraine rechnet - weil das Land auch so ins Chaos fällt. Eine Option dürfte sie für Putin aber bleiben. Auf großen militärischen Widerstand würde er nicht treffen.

Zurzeit werden viele historische Parallelen bemüht, sogar das ,,Schlafwandeln" Europas in den Ersten Weltkrieg. Man sollte sich aber auch auf die 80er Jahre besinnen, als die Perestroika geboren wurde, die Grundlage für die Befreiung Osteuropas. Es war auch die entschlossene Haltung des Westens bei der Nachrüstung, die ein Umdenken in Moskau einleitete und den Reformer Michael Gorbatschow an die Macht brachte. Heute wittern in Moskau dagegen Leute um Ex-KGB-Mann Putin die Schwäche des Westens. Tatsächlich hat Russland derzeit gute Karten. Wenn sich der Westen ein besseres Blatt verschaffen will, gehört dazu die klare Botschaft, dass die Nato-Grenzen tabu sind. Daher muss die dauerhafte Stationierung von Nato-Truppen in Osteuropa eine Option sein, die zumindest bei Verhandlungen in die Waagschale geworfen wird.

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