Putins Botschaft: Der Westen ist an allem schuld

Moskau · Schonungslos stimmte der russische Präsident Wladimir Putin seine Landleute gestern auf weitere Krisenjahre ein. Dabei begann der Taktiker Putin seine große Jahrespressekonferenz vor rund 1200 Journalisten wie üblich: mit Erfolgsmeldungen.

Man habe ein Haushaltsplus erreicht und Wachstum für 2014, auch die Geburtenrate steige an. Doch dann kam er raus mit der Sprache: Ja gewiss, der Rubel könne nach der historischen Talfahrt der letzten Wochen weiter auf den Abgrund zurollen. Auch der fallende Ölpreis könne die Krise verschärfen. Damit war man beim Kernthema: Wie geht es weiter in Russland, das vom Westen mit Sanktionen für seine Ukraine-Politik bestraft wird?

Von einer Jammerstimmung oder gar einem möglichen Kollaps der Wirtschaft will Putin vor der internationalen Presse aber nichts hören. "Alles wird sich einrenken", sagt der 62-Jährige in fast sanftem Ton bei dem landesweit übertragenen Medienspektakel. Dass eine Rezession droht, verschweigt er einfach. Doch die Menschen spüren die Krise.

Auch deshalb zieht der Präsident alle Register, versucht Mut zu machen. Die Finanzpolster der Rohstoffmacht Russland seien immer noch dick. Man habe 419 Milliarden US-Dollar Währungsreserven und weitere Milliardensummen in Sonderfonds auf der hohen Kante. Gleichzeitig gibt er, das ist seine wichtigste Botschaft, dem Westen die Hauptschuld an den Problemen des Landes.

Ob die Krise der Preis für die Annexion der Krim sei, will ein Medienvertreter wissen. Putin weist dies zurück: "Nein, das ist nicht die Rechnung für die Krim , das ist der Preis für unseren natürlichen Wunsch, uns als Nation, Zivilisation und Staat selbst zu erhalten", sagt er. Russland sei nicht aggressiv oder greife gar jemanden an, nein. Man wehre sich nur gegen "Bedrohungen" von außen. In gewisser Verdrehung der Fakten sagt er, es sei der Westen, der auch 25 Jahre nach Ende des Kalten Krieges "weiter Mauern errichte". Als reiche das nicht aus, legt der Oberbefehlshaber der zweitgrößten Atommacht der Welt noch nach: Er warne vor Versuchen, dem Riesenreich seine Bodenschätze wie Öl, Gas und Diamanten streitig zu machen.

Dann wird es interessant, fast scheint es so, als herrsche in Russland Pressefreiheit. Eine Journalistin wirft dem Präsidenten vor, die Bosse der Staatskonzerne und Funktionäre bekämen immer mehr Geld, während Großmütter kaum noch Brot kaufen könnten. Die prominente Journalistin Xenia Sobtschak beklagt sogar ein Klima des Hasses und der Hetzjagd von Polizei und Geheimdiensten auf Andersdenkende. Nicht wenige in dem großen Saal halten den Atem an, als Sobtschak dann auch noch kritisiert, der Kreml habe offenbar die Kontrolle verloren im Ex-Kriegsgebiet Tschetschenien. "Warum hast Du ihr das Wort gegeben?", fragt Putin scherzhaft seinen Sprecher Dmitri Peskow. Im Wissen darum, dass seine Pressekonferenz weltweit verfolgt wird, sagt der Ex-Geheimdienstchef dann betont ruhig, er habe niemals einen Ukas unterschrieben, um Gegner verfolgen zu lassen.

Am Ende weiß die Nation, dass an ihrer Spitze ein gewiefter Taktiker steht, der seinem Ruf als schlagfertiger Redner gerecht wird. Die Bilanz nach drei Stunden und 50 Fragen ist aber recht nüchtern: Putin gibt zwar auf alles eine Antwort. Eine Lösung der vielen Probleme des Landes hat er aber nicht parat.

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