Pressefreiheit muss täglich neu verteidigt werden

Saarbrücken. 60 Jahre Grundgesetz, 60 Jahre Pressefreiheit: eine deutsche Erfolgsgeschichte. Pressefreiheit steht im Grundrechtskatalog ganz weit vorn. Schon an fünfter Stelle. Artikel 5 schließt nicht nur Zensur aus, er garantiert auch Meinungsäußerungs-, Meinungsverbreitungs- und Informationsfreiheit. Es sind Rechte, die jedem Bürger zustehen

Saarbrücken. 60 Jahre Grundgesetz, 60 Jahre Pressefreiheit: eine deutsche Erfolgsgeschichte. Pressefreiheit steht im Grundrechtskatalog ganz weit vorn. Schon an fünfter Stelle. Artikel 5 schließt nicht nur Zensur aus, er garantiert auch Meinungsäußerungs-, Meinungsverbreitungs- und Informationsfreiheit. Es sind Rechte, die jedem Bürger zustehen. Nicht einmal durch Verfassungsänderung können sie eingeschränkt oder aufgehoben werden. Sie sind keine Privilegien für Verleger und Journalisten. Pressefreiheit wird gewährt, weil der freie Fluss von Informationen und Meinungen Voraussetzung einer funktionierenden Demokratie ist. Demokratie lebt vom Engagement informierter Bürger. Doch der Pressefreiheit ergeht es wie anderen Grundrechten: Ihre Bedeutung für die demokratische Kultur ist stets in Gefahr, relativiert zu werden. Im "Spiegel"-Urteil von 1966 war das Bundesverfassungsgericht zu dem Schluss gekommen, der Schutz der Pressefreiheit reiche "von der Beschaffung der Informationen bis zur Verbreitung von Nachrichten und Meinungen". Ein Satz wie in Stein gemeißelt. Aber beim Thema Informationsbeschaffung zeigen sich seit längerem alarmierende Tendenzen, den Karlsruher Spruch zu verwässern. Seit dem 11. September 2001 vermehrte sich unter dem Rubrum "Terrorabwehr" die Zahl so genannter Sicherheitsgesetze, "Sicherheit" wird zusehends gegen Freiheit ausgespielt. Der Staat greift in die sensiblen Bereiche des Informantenschutzes und des Zeugnisverweigerungsrechts ein. Zum Beispiel bei der Online-Durchsuchung von Computern oder dem "großen Lauschangriff". Schon die umstrittenen Durchsuchungen von Redaktionen und Beschlagnahmeaktionen von redaktionellem Material haben Zweifel genährt, dass sich Behörden immer der Bedeutung von Artikel 5 GG bewusst sind. Datenskandale bei Deutscher Telekom und Deutscher Bahn AG, das zügellose Aufspüren von Informationslecks selbst bei Vorgängen von geringer Relevanz und vergleichbare Affären in Privatunternehmen deuten an, welcher Geist da aus der Flasche gelassen wurde. Noch handelt es sich um Einzelfälle. Aber aus der Häufung solcher Einzelfälle kann sich leicht ein ernst zu nehmendes Problem ergeben. Im "Cicero"-Urteil (2007) haben die Karlsruher Verfassungshüter die Grundsätze ihrer Kollegen aus dem Jahr 1966 bekräftigt: "Die Gewährleistungsbereiche der Presse- und Rundfunkfreiheit schließen diejenigen Voraussetzungen und Hilfstätigkeiten mit ein, ohne welche die Medien ihre Funktion nicht in angemessener Weise erfüllen können." Geschützt sind "namentlich die Geheimhaltung aller Informationsquellen und das Vertrauensverhältnis zwischen Presse beziehungsweise Rundfunk und seinen Informanten". Staatlichen Stellen ist es demnach grundsätzlich verwehrt, sich Einblicke in Vorgänge zu verschaffen, die zur Entstehung von Nachrichten führen. Karlsruhe hat mit diesem Urteil dem Vorgehen staatlicher Behörden Grenzen gesetzt. Angekommen ist das noch nicht überall bei den Gesetzgebern. Da bleibt noch viel an Überzeugungsarbeit zu leisten. Pressefreiheit muss auch 60 Jahre nach Verabschiedung des Grundgesetzes täglich aufs Neue durchgesetzt werden. Eine wesentliche Bedingung dieser Freiheit darf dabei nicht zu kurz kommen: Die Medienunternehmen müssen wirtschaftliche Voraussetzungen vorfinden, die ihnen ein freies, von äußeren Einflüssen unabhängiges Arbeiten erlauben. Auch das ist ein Appell an die Politik. Helmut Heinen ist Präsident des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger. Am Sonntag ist Tag der Pressefreiheit.

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