Impeachment gegen Trump Präsident der Ukraine zwischen den Stühlen

Kiew/Washington/Moskau · Die stürmische Ukraine-Affäre in den USA lässt in Kiew auch Präsident Wolodymyr Selenskyj nicht zur Ruhe kommen. Eigentlich trat der 41-Jährige zu Beginn dieses neuen Monats vor die Presse, um Fortschritte bei der Lösung des blutigen Konflikts in der Ostukraine zu verkünden.

Doch das interessierte weniger als mögliche neue Enthüllungen dazu, wie US-Präsident Donald Trump ihn unter Druck gesetzt haben könnte, um sich seinen demokratischen Rivalen Joe Biden vor der Präsidentenwahl 2020 vom Hals zu schaffen. Ob sie Kinder hätten, fragte Selenskyj die Reporter, er müsse jetzt nämlich zu seinen Kindern. Weg war er.

Es gab nur einen Mini-Happen vom ukrainischen Präsidenten, der sagte, dass er Trumps Anwalt Rudy Giuliani nie getroffen und auch nie mit ihm telefoniert habe. Seit der Veröffentlichung einer Protokollnotiz zu einem Telefonat mit Trump ist Selenskyj bemüht, möglichst keinen Satz mehr zu viel zu sagen. Keinen Satz, der entweder ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump befeuern oder Biden und seinen Sohn Hunter in ein schlechtes Licht rücken könnte. Das dringend auf US-Hilfe angewiesene Land will es sich mit niemandem verscherzen.

Nach erst wenigen Monaten im Amt findet sich der frühere Fernseh-Komiker nun in einem handfesten Polit-Thriller wieder. Und der dreht sich in der Ukraine weniger um Trump als um Vater und Sohn Biden. Dauerbrenner ist hier ein Video, in dem Biden im Januar 2018 davon erzählt, wie er als Vizepräsident ein gutes Dutzend Mal in der Ukraine war und bei Präsident Petro Poroschenko darauf bestanden habe, dass Generalstaatsanwalt Viktor Schokin entlassen werde. Und Biden erzählt auch, dass dies die Bedingung gewesen sei für weitere Finanzhilfen der USA an die Ukraine.

In dem Video-Mitschnitt gibt Biden seine früheren Äußerungen gegenüber der ukrainischen Seite wie folgt wieder: „Ich fliege in sechs Stunden ab. Wenn der Staatsanwalt bis dahin nicht gefeuert ist, dann bekommt ihr kein Geld.“ Es ging immerhin um eine Milliarde US-Dollar. Das sieht vor allem nach Auffassung des Trump-Lagers in den USA nach Erpressung aus. Trump beklagte, dass die US-Medien nicht sähen, dass Bidens Verhalten in der Ukraine korrupt gewesen sei.

Doch geht es hier um eine andere, womöglich weitreichendere Frage – und zwar die, ob Biden mit seinem Druck auf die ukrainische Führung auch seinen Sohn schützen wollte. Generalstaatsanwalt Schokin hatte nämlich zu der Zeit gegen den skandalumrankten Gasförderer Burisma wegen der Vergabe von Förderlizenzen ermittelt. Bidens Sohn Hunter hatte dort 2014 als Aufsichtsratsmitglied angeheuert – mit rund einer halben Million Euro Jahreseinkommen. Was er für das Geld genau machte, ist unklar.

Joe Biden dementiert kategorisch, dass er als Vizepräsident seinen Sohn vor Ermittlungen in der Ukraine geschützt habe. Trump wisse, dass die Vorwürfe unwahr seien, sagte Biden am Mittwoch bei einem Wahlkampfauftritt. An die Adresse Trumps fügte er unter Applaus hinzu: „Sie werden mich nicht zerstören. Und Sie werden meine Familie nicht zerstören. Es ist mir egal, wie viel Geld Sie ausgeben, Herr Präsident, oder wie dreckig Ihre Angriffe werden.“  Biden gibt sich kämpferisch, doch seine Wahlkampfmannschaft wirkt nervös.

Gut möglich, dass die Vorgänge nicht nur Trump in Bedrängnis bringen, sondern am Ende auch Biden schaden könnten. Vor allem die Russen schauen mit großer Lust auf das ukrainisch-amerikanische Spektakel, weil es für sie der beste Beweis ist für ihre immer wieder geäußerte Kritik, dass die ukrainische Politik direkt aus dem Weißen Haus gesteuert werde. Und in Moskau macht sich die  Hoffnung breit, dass der Skandal die außenpolitische Energie der USA aus der Ukraine etwas abzieht.

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