Präsident ohne Chance auf eine Mehrheit

Paris · Analyse Bereits vor der Entscheidung um das Präsidentenamt am Sonntag hat in Frankreich der Wahlkampf für die Parlamentswahl begonnen. Wieder geht es um viel.

Von Dynamik ist in diesen Tagen viel die Rede im Hauptquartier von Emmanuel Macron. Diese Dynamik soll dem früheren französischen Wirtschaftsminister nicht nur die Präsidentschaft bringen, sondern auch den noch schwierigeren Sieg bei den Parlamentswahlen im Juni. "Ich will schon jetzt eine Mehrheit für eine Regierung und eine Transformation schaffen", sagte der 39-Jährige am Abend der ersten Wahlrunde. Hinter den Kulissen wird viel diskutiert über eine solche Mehrheit, der sich nach den Vorstellungen des Kandidaten Vertreter der Sozialisten und Konservativen anschließen könnten. Eine Bedingung stellt der 39-Jährige aber: Wer für seine Bewegung "En Marche" antreten will, muss sich von einer anderen Partei lossagen.

Rund 14 000 Kandidaturen hat "En Marche" bereits gesammelt. Macron will, dass die Hälfte seiner Bewerber aus der Zivilgesellschaft kommen und nicht aus dem traditionellen Politikbetrieb. "Neue Gesichter, neue Talente" verspricht der Jungstar, der in allen 577 Wahlkreisen Kandidaten aufzustellen verspricht. Doch die Neulinge dürften sich schwertun gegen die etablierten Volksparteien. Vor allem, weil sie nicht auf dieselbe Struktur und dieselben Geldtöpfe zurückgreifen können.

Macron selbst ist inzwischen so weit, seine erst vor einem Jahr gegründete Bewegung in eine Partei umzuwandeln. "Zu einem gegebenen Moment wird es unerlässlich sein, den Schritt von einer Bewegung hin zu einer Partei zu tun, die die Aufgabe hat, Kandidaten zur Wahl zu stellen", sagte er gestern. Aber auch mit einer richtigen Partei im Rücken dürfte Macron Schwierigkeiten haben, eine Mehrheit in der Nationalversammlung zu bekommen. Schafft er es nicht, droht ihm entweder eine Kohabitation, also die politische Zwangsehe mit der Opposition, oder eine Art Koalitionsregierung nach deutschem Vorbild. Für die Kohabitation bot sich bereits Ex-Finanzminister François Baroin als Regierungschef an. "Wenn die Franzosen sich für eine konservative Regierung entscheiden, bin ich bereit, Premierminister zu werden", sagte der 51-Jährige. Auch wenn der konservative Kandidat François Fillon in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl nur einen enttäuschenden dritten Platz erreichte, hat seine Partei doch gute Voraussetzungen, die Parlamentswahlen zu gewinnen.

Eine weitere dramatische Niederlage dürften dagegen die regierenden Sozialisten erleiden, die derzeit mit 285 Abgeordneten die größte Fraktion stellen. In der neuen Volksvertretung könnten es nur noch 50 sein, die dann mehrheitlich mit Macron zusammenarbeiten könnten. Ein Angebot dafür kam bereits vom früheren Regierungschef Manuel Valls. "Wir müssen uns an der Regierungsmehrheit beteiligen, die es zu schaffen gilt", forderte der 54-Jährige, der den Reformflügel seiner Partei anführt.

Klar in die Opposition gehen will der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon, der nach seinem guten Ergebnis in der ersten Wahl-Runde auf einen erneuten Erfolg hofft. Doch er ist nicht der Einzige, der die Rolle des Oppositionschefs reklamiert. Am rechten Rand positioniert sich im Falle ihrer Niederlage am kommenden Sonntag auch Marine Le Pen. Die 48-Jährige war in der ersten Runde in 216 der 577 Wahlkreise vorne gelandet. Auch wenn ihr Front National im Juni deutlich weniger Abgeordnetenmandate gewinnen sollte, könnte er doch eine starke Fraktion in der neuen Nationalversammlung bilden. Die Zeiten, in denen die Le-Pen-Partei mit nur zwei Abgeordneten vertreten war, sind auf alle Fälle vorbei.

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