Portugal hofft auf Hilfe aus Deutschland

Lissabon · Seine portugiesischen Landsleute hat er als Fernsehstar und im Januar auch als Präsidentschaftskandidat im Sturm erobert - nun will Marcelo Rebelo de Sousa Bundeskanzlerin Angela Merkel ebenso überzeugen. Bei seinem Berlin-Besuch wird sich das charismatische Staatsoberhaupt heute nämlich als Bittsteller präsentieren. Ganz oben auf der Liste des 67-Jährigen steht die Bitte, Deutschland möge sich in Brüssel dafür einsetzen, dass das frühere Krisenland trotz jüngster Verstöße gegen die Haushaltsvorgaben nicht von der EU-Kommission bestraft wird. "Sanktionen wären eine Ungerechtigkeit", sagte Rebelo de Sousa gestern vor seinem Abflug. Das wolle er bei seinen Gesprächen nicht nur im Bundeskanzleramt , sondern auch beim Kollegen Joachim Gauck und Bundestagspräsident Norbert Lammert begründen. Es gehe nicht um "emotionale", sondern um rationale Argumente, betonte der Jura-Professor und langjährige TV-Moderator. Sein Land habe "alles Nötige getan", um die Staatsfinanzen zu sanieren.

Im Frühjahr 2011 war Portugal von der EU und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) mit Hilfe von 78 Milliarden Euro vor dem Bankrott bewahrt worden. Anders als Griechenland avancierte das Land unter einer konservativen Regierung zum Spar-Musterschüler. Es wurde viel gekürzt, gestrichen und privatisiert, Steuern wurden angehoben. Nach drei Jahren unter dem EU-Rettungsschirm steht Portugal seit Mai 2014 finanziell endlich wieder auf eigenen Beinen.

Doch seit einigen Monaten schrillen die Alarmglocken wieder. Mit einem Haushaltsdefizit von 4,4 Prozent der Wirtschaftsleistung wurde 2015 das Ziel (3,0 Prozent) deutlich verpasst. Zudem wurden die Konservativen im Herbst abgewählt, der neue sozialistische Ministerpräsident António Costa regiert mit einer Minderheit, ist auf Unterstützung von Kommunisten, Marxisten und Grünen angewiesen und setzte die im Wahlkampf versprochene Abschwächung der Sparmaßnahmen ungeachtet der Defizitprobleme bereits in die Tat um.

Costa beteuert, man werde die kommenden Defizitziele einhalten und 2020 sogar schwarze Haushaltszahlen schreiben. In Brüssel traut man dem Braten aber nicht. Ebenso wenig wie der für eine strikte Ausgabendisziplin eintretende deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble . Doch Rebelo de Sousa warnt, eine Bestrafung wäre ein großer Fehler. Die Bürger in Portugal, die in den vergangenen Jahren so viele Opfer gebracht hätten, würden kein Verständnis haben. Das Land, warnen auch die abgewählten Konservativen, könnte bei Sanktionen politisch und sozial destabilisiert werden.

Nun müssen nur die Skeptiker überzeugt werden. Und wer könnte das besser machen als Rebelo de Sousa? Der Politiker der konservativen Sozialdemokratischen Partei (PSD) ist ein "Versöhner". Im Wahlkampf kam er ohne Entourage, ohne Finanzierung durch Parteien, ohne Firmenspenden oder Aufkleber aus. Das nötigte im verarmten Land sogar sehr vielen Linken Respekt ab. Er wecke Hoffnung, meint nicht nur der Direktor der Zeitung "Jornal de Noticias", Domingos de Andrade.

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