Populisten fürs Weiße Haus

Amerika ringt mit sich selbst, es ist in Selbstzweifeln befangen und sucht nach Orientierung. Trotz relativ guter Wirtschaftsdaten merken die meisten Bürger nichts vom Aufschwung. Die Reallöhne der Mittelschichten stagnieren, die Kluft zwischen Einkommensmillionären und dem großen Rest klafft so breit wie seit den 1920er Jahren nicht mehr.

Das Thema soziale Ungleichheit ist mit Macht auf die Tagesordnung zurückgekehrt. Außenpolitisch suchen die USA einen Mittelweg zwischen George W. Bush und Barack Obama , zwischen Supermacht-Hybris und übervorsichtigem Aussitzen.

Es herrscht also kein Mangel an Sachproblemen, denen sich der Präsidentschaftswahlkampf widmen müsste. Stattdessen bestimmen Populisten mit simplen Parolen den Ton, jedenfalls im Feld der Republikaner. Gewiss nicht chancenlos hoffen die Konservativen darauf, genau heute in einem Jahr das Weiße Haus zu erobern, nachdem sie bereits die Legislative mit klarer Mehrheit kontrollieren. Doch momentan leisten sie sich den Luxus eines Spektakels, das eher ans Casting für eine Reality-Show denken lässt als an einen seriösen Diskurs. Donald Trump , der föhnfrisierte New Yorker Immobilienmagnat, wirkt wie ein Don Quijote, der gegen Windmühlenflügel kämpft, wenn er den Charme einer Zeit beschwört, die nicht wiederkehren wird. Ben Carson, ein pensionierter Neurochirurg, stellt abstruse Vergleiche zwischen der Pflicht zur Krankenversicherung, eingeführt unter Obama, und der Nazi-Diktatur an. Marco Rubio , der kubanischstämmige Senator aus Florida, weiß zwar mit Schlagfertigkeit zu glänzen, lässt aber bislang Tiefgang vermissen, während Jeb Bush auf der großen Bühne unbeholfen wirkt. Es scheint, als habe die "Grand Old Party" beschlossen, alles in den Wind zu schlagen, was ihre Strategen 2012 nach der Niederlage Mitt Romneys an Erkenntnissen gewannen. Die überfällige Einwanderungsreform, eine Voraussetzung, um die Stimmen der Hispanics zu gewinnen, scheiterte am Einspruch ihrer Kongressabgeordneten. Das ist ein Weg in die Sackgasse, denn spätestens 2050 werden die ethnischen Minderheiten in der Summe die US-Mehrheit bilden.

Beim Wettstreit der Demokraten wird in erster Linie über Sachthemen diskutiert. Doch eines macht schon ein flüchtiger Blick auf das Bewerberfeld deutlich: Die Partei hat enorme Nachwuchsprobleme. Bernie Sanders, der Kandidat, der die haushohe Favoritin Hillary Clinton mit ihren 68 Lebensjahren am ehesten herausfordern könnte, ist ein 74-jähriger Senator mit schlohweißem Haar. Martin O'Malley, der jüngste Bewerber, wirkt blass. Auf den nächsten Barack Obama müssen die Demokraten noch ein paar Jahre warten. Was die Tristesse des Wahlkampfs verstärkt.

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