Pflichtbewusst zum Rekord
Königin Elizabeth II ist nun also Rekord-Monarchin, und von Amtsmüdigkeit kann keine Rede sein. Im Gegenteil: Mit großem Pflichtbewusstsein, Hingabe und Disziplin sitzt die 89-Jährige seit mehr als 60 Jahren unaufgeregt auf dem Thron.
Sie verkörpert so etwas wie den britischen Staatskern, auch wenn sie machtlos an der Spitze des Königreichs steht und ihre Aufgaben repräsentativen Charakter haben. Dennoch ist ihre Ausstrahlung wirkungsmächtig, nicht nur in Großbritannien, sondern auf der ganzen Welt.
Der Besuch der Queen im Sommer hat gezeigt, wie sie selbst in Deutschland frenetisch gefeiert wird und als perfekte Werbefigur für die Insel dient. Viele Briten haben die Begeisterung mit Verwunderung aufgenommen. Doch welches europäische Königshaus kann mit einem vergleichbaren herrschaftlichen Theater voller Prunk, Pracht und Pomp aufwarten? Die eindrucksvollen Schlösser und goldenen Kutschen wirken wie aus der Zeit gefallen. Vielleicht liegt da der Erfolg begründet. Das Leben der Royals wirkt wie ein Märchen, das in Echtzeit abläuft und von Klatschblättern verfolgt wird.
Zudem stellt das unerschütterliche Königshaus unter Elizabeth II etwas dar, was sich viele Menschen offenbar wünschen: Es verheißt Kontinuität, bietet für viele Briten Orientierung. Trotz oder gerade wegen der antiquierten Gepflogenheiten, an denen die Familie Windsor festhält. Die Queen hat die Monarchie keineswegs reformiert. Vielmehr musste sie bezeugen, wie das einstige Weltreich an Größe und Einfluss verlor, schweigend hat sie große Umwälzungen und Krisen hingenommen. Von einer Modernisierung des Königshauses wollte die als altmodisch geltende Elizabeth II nichts wissen. Aus der Tagespolitik hielt sie sich heraus und Informationen aus dem Palast strikt zurück. Ob sie Einfluss genommen hat, wird wohl erst mit dem Öffnen der Archive in einigen Jahrzehnten bekannt werden. Einen nachhaltigen Stempel konnte sie ihrer Herrschaft mit ihrer Strategie jedenfalls nicht aufdrücken. Ihr größter Verdienst ist das Commonwealth, doch ob dieser lose Verbund nach ihrem Tod fortbestehen wird, darf bezweifelt werden - schon allein, weil Prinz Charles ein vergleichbares Ansehen fehlt.
Elizabeth II überholt nun ihre Ururgroßmutter Victoria, die die Monarchie reformiert und wieder populär gemacht hat. Nach der ein ganzes Zeitalter benannt ist. So weit wird es bei der jetzigen Regentin nicht kommen. Ihr Erbe wird sich weder in der Architektur noch in der Kunst oder im sozialen Bereich niederschlagen. Dafür in schillernden Bildern. In ihrer Dienstzeit wurden die prächtigsten Hochzeiten gefeiert, es gab spektakuläre Scheidungen, Geburten und Beerdigungen. Wahrscheinlich sind es diese Dinge, die eine Monarchie heutzutage ausmachen. Und überleben lassen.