Oskar Lafontaine, mit System gegen die Presse

Berlin. Er hat es wieder getan. In der Zeitung "Junge Welt" schreibt Oskar Lafontaine dieser Tage über "die Mainstream medien und die Systemparteien SPD und Grüne". Bereits im Oktober hatte er in einem anderen Zeitungsbeitrag den "Systemparteien CDU , CSU , SPD , FDP und Grünen im Verein mit den deutschen Medien" vorgeworfen, die Linke wegen ihres außenpolitischen Kurses anzugreifen.

Lafontaine benutzt damit sehr systematisch einen Begriff, der bei den Pegida-Demonstrationen wieder in Mode gekommen ist und wie etliche andere eine höchst problematische Vorgeschichte hat. "Systemparteien" war die zentrale, abwertende Bezeichnung der Nazis für die demokratischen Parteien der Weimarer Republik, das Wort "Systemzeit" stand für die Zeit vor der Machtergreifung . Man darf annehmen, dass Lafontaine das sehr genau weiß.

"Systempresse" gehörte damals übrigens auch zum Nazi-Wortschatz. Daraus ist bei Pegida heute die "Lügenpresse" geworden, das Unwort des Jahres. Die Tatsache, dass Lafontaine in seinen aktuellen Texten stets den Begriff "Systemparteien" mit den Medien verbindet, zeigt, wie nahe er diesem Denken ist. Allerdings benutzt der Saarländer den Begriff "Lügenpresse" selbst nicht. 1993, als er im Mittelpunkt der sogenannten Rotlicht-Affäre stand, sprach er von "Schweinejournalismus". Jetzt, in seinem Aufsatz der "Jungen Welt", nennt er die Presse "Mainstreammedien". Er will offenbar unterstellen, dass fast alle Journalisten wie an einem Gängelband einer Hauptströmung, dem System, folgen - ohne eigenes Denken.

Ein anderes Nazi-Wort ist "Fremdarbeiter". Das benutzte der einstige Linken-Chef ebenfalls: im Jahr 2005, als es gegen die Reformen der Schröder'schen Agenda 2010 und um die neuen EU-Mitglieder aus Ost-Europa ging. "Der Staat ist verpflichtet zu verhindern, dass Familienväter und Frauen arbeitslos werden, weil Fremdarbeiter ihnen zu Billiglöhnen die Arbeitsplätze wegnehmen", formulierte Lafontaine damals. Und er gab auch zu bedenken: "Die forcierte Zuwanderung wird in Deutschland einzig von den oberen Zehntausend gefordert." Die allerdings, so Lafontaine weiter, "schicken ihre Kinder auch nicht auf Grundschulen, in denen die Zahl der Ausländerkinder überwiegt". Das alles würde heute wohl jeder der Demonstranten in Dresden unterschreiben, selbst wenn es dort kaum Ausländerkinder gibt.

Mit der AfD und vielen Pegida-Anhängern ist sich Lafontaine auch in anderen Punkten weitgehend einig: Der Linke will den Euro abschaffen und die nationalen Währungen wiederhaben. Und in der Ukraine war es aus seiner Sicht der "Wortbruch des Westens", die "einseitige Osterweiterung der Nato ", die zu der Krise geführt hat. Kein Wort von der Krim-Annexion. Zum Vergleich: Im Dezember kritisierte Pegida-Initiator Lutz Bachmann unter dem Beifall der Demonstranten in Dresden "die Kriegstreiberei unserer Regierung, wie das aktuelle Beispiel Russland zeigt". Auf Plakaten war damals unter anderem "Weg mit der Kriegstreiber-Regierung" zu lesen und "Putin, hilf uns!"

Doch Lafontaine kann sich trösten: Er wäre beileibe nicht der erste Linke, der sich beim Versuch, noch radikaler Position zu beziehen, ins andere Extrem verirrt hätte.

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