Orwell lässt grüßen

Dass es Donald Trump bevorzugt, gelegentlich in einer Parallelwelt zu leben, in der die Wahrheit keine Rolle mehr spielt, wurde schon während seines Wahlkampfs klar. Er sah es etwa als völlig irrelevant an, dass seine Behauptung, er sei stets gegen den Irak-Krieg von George W. Bush gewesen, längst durch ein Interview-Video widerlegt worden war. Nun hat er seine Regentschaft in Washington angetreten, um sich mit "alternativen Fakten" - vermutlich jetzt schon das Unwort des Jahres - sein ramponiertes Ansehen und seine Arbeit schönzureden. Die Devise lautet: Wer etwas anders behauptet, lügt - vor allem die Presse, die Trump als abscheulich und notorisch unehrlich abstempelt.

Dass die amerikanische TV-Reporter-Legende Dan Rather gestern den Begriff der "alternativen Fakten" mit einer Orwellianischen Welt gleichsetzte, ist gut nachvollziehbar. Der Egomane Trump scheint gar nicht zu begreifen, auf was er hier zusteuert. Denn er ist auf dem besten Weg, das ohnehin nicht perfekte Vertrauensverhältnis von Bürgern in die Politik völlig zu zerstören. Wenn Lügen der Herrschenden zum Alltag werden - was für ein immenser Schaden kann dann auf sensiblen Feldern wie der nationalen Sicherheit, Terrorbekämpfung oder Kriegführung angerichtet werden? Man stelle sich nur vor, Trump stellt mit den ihm eigenen "Fakten" einen Verstoß des Iran gegen die noch unter Obama abgeschlossenen Atom-Kontrollverträge fest und erwägt am Ende sogar eine militärische Aktion. Was eine Verdrehung der Wahrheit anrichten kann, ist ja noch aus der Amtszeit von Bush in Erinnerung: Die von der CIA vorgelegten Fakten zu den angeblichen Massen-Vernichtungswaffen Saddam Husseins wurden so interpretiert, wie es die Falken für geboten hielten.

Die jetzt von Trump begonnene Taktik der Desinformation konsequent weiterzuführen, würde die Säulen der amerikanischen Demokratie erschüttern und irgendwann auch die transatlantischen Beziehungen und globale Sicherheit tangieren.

Der Wähler hat ein Anrecht auf Transparenz und die objektive Wahrheit - und nicht auf das, was die politisch vorgegebene Definition davon ist.

Den Medien kommt hierbei die wichtigste Kontrollfunktion zu. Sie dürfen nicht zulassen, dass ein Präsident einen wahrheitsfreien Raum etabliert. Und auch die Volksvertreter stehen vor ihrer ersten großen Bewährungsprobe. Von ihnen wird es abhängen, wie lange Trump seinen beängstigenden Kurs fortsetzt. Werden sie ihn stillschweigend akzeptieren, oder kommt es irgendwann zur Revolte, auch der konservativen Senatoren und Abgeordneten? Sie dürften neben den Medien der letzte Bremsblock sein, den die USA zur Verfügung haben, um Lügen-Präsident Trump zu stoppen.

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