Oligarchen-Paradies und Drehscheibe für Pferdefleisch

Berlin. Jetzt auch noch das: Zypern, so liest man, ist Dreh- und Angelpunkt für den Handel mit dem Fleisch rumänischer Pferde, das, zu Rindfleisch umdeklariert, derzeit in deutscher Lasagne auf den Tisch kommt

Berlin. Jetzt auch noch das: Zypern, so liest man, ist Dreh- und Angelpunkt für den Handel mit dem Fleisch rumänischer Pferde, das, zu Rindfleisch umdeklariert, derzeit in deutscher Lasagne auf den Tisch kommt. Nikos Anastasiades, der voraussichtlich ab Sonntag neu gewählte Präsident der Mittelmeerinsel, ist nicht zu beneiden: Der Haushalt steht kurz vor dem Kollaps, da zyprische Banken durch die Bruchlandung Griechenlands in Existenz bedrohende Schieflage geraten und auf staatliche Liquiditätsspritzen angewiesen sind. Schon unter normalen Umständen ist so etwas schwer zu stemmen, in Zypern ist es der Regierung unmöglich, die Banken aus eigener Kraft zu retten. Das ist in Irland schon schief gegangen, mit dem Ergebnis, dass das Land jetzt auf Rettungskredite angewiesen ist.In Zypern ist das Problem relativ gesehen größer als in Irland: In den vergangenen Jahren ist der Bankensektor viermal so schnell gewachsen wie die Gesamtwirtschaft, sein Anteil hat sich zwischen 1995 und 2011 auf zehn Prozent verdoppelt. Das liegt vor allem daran, dass das Land in den letzten Jahren mit Niedrigsteuersätzen Kapital ins Land gelockt hat - und sich deswegen zu Recht dem Vorwurf des Steuerdumpings ausgesetzt sieht. Hinzu kommt, dass das Steuerparadies im Mittelmeer sich offenbar auch bei russischen Oligarchen und Mafiosi des Rufs einer günstigen und diskreten Spardose erfreut.

All das macht europäische Hilfen für das Krisenland außerordentlich unappetitlich. Zu Recht wird diskutiert, ob der europäische Rettungsschirm der zyprischen Regierung und vor allem den Banken wirklich unter die Arme greifen muss. Zumal die Gefahr, dass Bankenpleiten auf der Insel auf Europas Bankensystem übergreifen könnten, gering ist. Zypern schuldet dem Rest der Welt gut 50 Milliarden Euro. Das sind Peanuts gegenüber den Beträgen, über die im Falle der anderen Krisenländer gesprochen wird. Außerdem ist ein großer Teil der Forderungen in der Hand von griechischen Banken, die ohnehin schon am Tropf der Rettungsschirme hängen.

Die so genannte "systemische Relevanz" als Voraussetzung für eine Unterstützung ist ökonomisch sicherlich nicht gegeben. Auch die politischen Ansteckungseffekte dürften überschaubar sein: Es ist nicht davon auszugehen, dass die Finanzmärkte etwa eine weitere Unterstützung Spaniens in Frage stellen, nur weil Zypern keine Hilfe bekommt. Die Finanzmärkte wissen genau zu unterscheiden zwischen einem Zwerg und den wirtschaftlichen Schwergewichten in der Währungsunion.

Trotzdem spricht manches für eine Unterstützung der Insel. Zum einen ist politisch zu wünschen, dass sich nicht Russland als Retter in der Not profilieren kann. Vor allem aber lassen sich Hilfszahlungen mit Auflagen an die zyprische Regierung verbinden, die Transparenz im Bankensystem zu erhöhen und angemessene Steuern für Unternehmen einzuführen. Man sollte aber so ehrlich sein, nicht von Rettungs-"Krediten" zu sprechen. Denn bereits jetzt ist angesichts der maroden Wirtschaft klar, dass Zypern einen Teil der Hilfszahlungen nicht wird zurückzahlen können. Dann lässt sich auch erreichen, dass bei der Sanierung des Bankensystems auch die Kapitalanleger auf einen großen Teil ihrer Forderungen verzichten - seien es russische Milliardäre oder griechische Banken. So bleiben die Belastungen für die europäischen Steuerzahler überschaubar.

Dr. Ferdinand Fichtner ist Abteilungsleiter Konjunkturpolitik im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).

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