Ohne Disziplin

Der saarländische Innenminister liebt den Politikstil der Dampfwalze. Gestern früh war "Bulli" ausnahmsweise mal kleinlaut, als er sich bei seiner Chefin entschuldigte. Wie sauer Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer auf den CDU-Parteifreund Klaus Bouillon ist, wissen wir nicht.

In der Sache selbst, der fragwürdigen Haushaltsdisziplin der Kommunen, wird sie ihm wohl eher Recht geben. Der Kasernenhofton allerdings, mit dem der Minister seiner Sache einen Bärendienst erweist, wird auch ihr schrill in den Ohren klingen.

Freund und Feind sind erzürnt, Kollegin Anke Rehlinger (SPD ) will Bouillons "verbale Entgleisungen" sogar zum Thema im Koalitionsausschuss machen. Dann könnte auch zur Sprache kommen, dass der Ex-Bürgermeister mit dem Charme eines Halbstarken in der Koalition bereits nach 100 Tagen als "Problembär" betrachtet wird. Gleichwohl gilt auch hier: Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. An echtem Streit sind derzeit weder CDU noch SPD interessiert.

Worum geht es? Bouillon hatte mal wieder Dampf abgelassen über das nonchalante Finanzgebaren vieler Saar-Kommunen. Besonders die Landeshauptstadt hat er im Visier, und das ist deshalb interessant, weil er mit Oberbürgermeisterin Charlotte Britz (SPD ) vor wenigen Wochen noch turtelte. Ohne funktionierende Landeshauptstadt brauche man über die ländlichen Regionen gar nicht erst zu diskutieren, meinte er damals, und Britz dankte für die "klaren Worte". So schnell kann's gehen: Heute sind alle erbost, weil Bouillon mit seiner Kritik am fehlenden Sparwillen Saarbrückens kein Blatt vor den Mund nimmt. Es wird indes nicht wenige Bürger geben, die ihm zustimmen. Denn wer die Zahlen kennt (die Stadt hat 1,2 Milliarden Euro Schulden), wird bei Fahrradbeauftragtem und Frauenbibliothek an griechische Verhältnisse erinnert: Man gönnt sich ja sonst nichts. Da ist der Verzicht auf einen Kulturdezernenten nur der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein.

Nun, Bouillon ist trotz seiner nassforschen Art zugute zu halten, dass er seine Haushaltsaufsicht ernst nehmen will. In einem kleinen Land, in dem nach Ansicht von Verwaltungsexperten bislang die "Weg- und Nachsicht" galt und wo sich auch politische Gegner vertrauensvoll zuzwinkern, ist das bemerkenswert. Zugleich war es richtig, dass OB Britz am Dienstag in Berlin mit ihren Leidensgenossen für eine bessere Finanzausstattung der Kommunen warb. Politisch glaubwürdig wird jedoch nur, wer die kommunalen Aufgaben so klar definiert, dass er mit den Ausgaben haushalten kann. Was nicht geht, ist "die reinste Form des Wahnsinns", wie es Albert Einstein formuliert hat: Alles beim Alten zu belassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.

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