Ohne Beck sehen FDP und Grüne ganz neue Chancen

Berlin. Die eruptive Klärung der Personalfragen bei den Sozialdemokraten hat auch die politischen Rahmenbedingungen für die Opposition verändert. FDP und Grüne hoffen jetzt auf eine Stabilisierung der SPD, um ihre Koalitionsoptionen zu erweitern

Berlin. Die eruptive Klärung der Personalfragen bei den Sozialdemokraten hat auch die politischen Rahmenbedingungen für die Opposition verändert. FDP und Grüne hoffen jetzt auf eine Stabilisierung der SPD, um ihre Koalitionsoptionen zu erweitern. Und auch die Linkspartei freut sich über die Inthronisierung von Frank-Walter Steinmeier und Franz Müntefering, weil sie ihr womöglich noch mehr Zulauf bringt.Zunächst waren die Liberalen geradezu euphorisch, als der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck 2007 den SPD-Vorsitz übernahm. Immerhin hatte Beck in Mainz zwölf Jahre lang gedeihlich mit der FDP regiert. Sein Schlingerkurs in Sachen Agenda 2010 und Linkspartei sorgte jedoch schnell für Ernüchterung. Zwar setzen die Liberalen nach der nächsten Bundestagswahl weiter auf ein schwarz-gelbes Bündnis. Aber wenigstens als Druckmittel sollte die SPD schon taugen. Mit dem Personalwechsel bei den Genossen glauben die Liberalen, diesem Ziel ein gutes Stück näher gekommen zu sein. Immerhin stehen Steinmeier und Müntefering sehr viel überzeugender als Beck für eine Abgrenzung zur Linkspartei. Vor diesem Hintergrund wäre aus liberaler Sicht auch eine Ampelkoalition möglich, falls es im Herbst 2009 nicht zu einem Bündnis mit der Union reicht. Offiziell hält sich die FDP darüber allerdings bedeckt. Das erklärt auch, warum sie im Gegensatz zur Union nicht lautstark von Steinmeier verlangt, die rot-rote Annäherung in Hessen zu stoppen. Die Liberalen kämen dann nämlich schnell in den Verdacht, ein Ampelbündnis aus SPD, FDP und Grünen zu forcieren.Durch den demoskopischen Niedergang der Sozialdemokraten war ein solcher Dreierbund bei den Grünen schon aus dem Blickfeld gerückt. Nun schöpft man auch dort wieder stärker Hoffnung auf ein Ende des freudlosen Oppositionsdaseins. Steinmeier und Müntefering kennen die Grünen noch bestens aus den gemeinsamen Regierungsjahren mit der SPD, derweil Beck mit den Grünen - siehe Mainz - nie etwas am Hut hatte. Ebenso wie bei der FDP herrscht in den grünen Führungsetagen allerdings Skepsis vor, ob die Bundes-SPD nach ihrer Personalfindung auch inhaltlich mit sich ins Reine kommt. "Steinmeier wird nur mit den Grünen Kanzler und wenn die SPD jetzt endlich gemeinsam am gleichen roten Faden zieht", mahnt die grüne Fraktionschefin Renate Künast.Die Linkspartei sieht sich derweil in ihrer Rolle als radikale Opposition bestätigt. Der Unterschied zur SPD sei jetzt noch klarer geworden, triumphiert Parteichef Oskar Lafontaine. Für ihn ist der Agenda-Verfechter Müntefering sogar ein "Wahlgeschenk". Aus Sicht der ehemaligen PDS haben sich die Sozialdemokraten jetzt endgültig dafür entschieden, im 35-Prozent-Reservoir der Union zu wildern und nicht im 12-Prozent-Lager der Linken. Die programmatischen Schnittmengen sind deshalb eher geringer geworden. Durch ihre Fokussierung auf die politische Mitte, für die Steinmeier und Müntefering zweifellos stehen, könnte die SPD aber zumindest rechnerisch eine rot-rot-grüne Mehrheit im Bund fortschreiben, wie sie praktisch schon seit dem Wahljahr 1998 existiert. Wann sich diese Arithmetik in einer Koalition manifestiert, ist eine ganz andere Frage. Für 2009 sind die Chancen dafür jetzt noch kleiner als zuvor, denn weder das neue SPD-Spitzenduo noch Lafontaine & Gysi könnten ihrer jeweiligen Klientel einen solchen Schritt glaubhaft vermitteln.

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