Obamas Werbe-Guru soll der SPD aufhelfen

Berlin · Am Ende seines Vortrags zeigt der große Amerikaner mit dem Babyface und den rotblonden Haaren ein Bild, das für seinen größten Triumph steht. Barack Obama nimmt am Tag seiner Wiederwahl 2012 seinen Kampagnen-Chef Jim Messina in den Arm.

Der Präsident strahlt. Messinas Gesicht ist verdeckt: "Ich weine wie ein vierjähriger Junge", erzählt Messina im voll besetzten Alten Gasometer in Berlin .

Wo sonst Günther Jauch sonntagabends seine Talkgäste empfängt, hängen jetzt 800 meist junge Leute an Messinas Lippen: Der 45-Jährige, den die SPD für eine hübsche Summe als Berater engagiert hat, spricht beim "Campaign Camp" der Partei. In Washington gilt er als Messias der Öffentlichkeitsarbeit. Der gelernte Politikwissenschaftler aus Denver war Vize-Stabschef im Weißen Haus. Seine 45-Minuten-Show im Gasometer zeigt eindrucksvoll, wie das Obama-Team vor drei Jahren mit einer "Freiwilligenarmee" von 2,2 Millionen Leuten über soziale Medien und an Haustüren doch noch den Sieg holte. "Keiner hatte erwartet, dass er gewinnen würde", sagt Messina. Mit "er" ist Obama gemeint. Aber die beschriebene Ausgangslage passt auch ganz gut zur SPD und zu Sigmar Gabriel .

So gut wie niemand in der Partei glaubt derzeit, dass Angela Merkel 2017 zu schlagen ist. Die Umfragen für die SPD liegen betonhart bei etwa 25 Prozent. Viele Genossen, bis in die Führung hinauf, sind nervös bis gefrustet. Nur weil Gabriel in der Flüchtlingsfrage eine gute Figur abgibt, ist das Gemaule über ihn erst mal verstummt. Wie die SPD aus diesem Loch herauskommen kann? Jim Messina verliert kein Wort zur deutschen Parteienlandschaft. Lieber hämmert er seinen Zuhörern ein, sie sollten die Meinungsforscher zum Teufel jagen: "Ich hasse Umfragen ", sagt er. "Die meisten sind falsch."

Messinas Botschaft: Bombardiert Freunde und Familie im Wahlkampf mit Nachrichten per Facebook , Twitter , Instagram & Co. Erzählt ihnen eine tolle SPD-Geschichte, wie das Land künftig aussehen soll. Daran haperte es beim letzten Mal. 2013 passten der Kandidat Peer Steinbrück und das Programm nicht zusammen. Zu allem Überflus machte eine maulige SPD auch noch Wahlkampf gegen die gute Stimmung und Top-Wirtschaftslage im Land. Doch kann man Obamas brillante Internet-Kampagne so einfach übertragen? Nicht nur das politische System ist grundverschieden. Der deutsche Datenschutz wird verhindern, dass Messina für die SPD die Wählerschaft virtuell voll ausleuchten kann. Auch das Geld fehlt: Für Obamas Sieg 2012 konnte der Daten-Guru umgerechnet knapp eine Milliarde Euro ausgeben.

Seine wichtigste Aufgabe soll neben der Aufrüstung der Datenbanken wohl sein, der SPD ein bisschen Mut zu machen. Generalsekretärin Yasmin Fahimi sieht man den Stolz an, dass sie Messina nach Berlin gelockt hat. Das "Campaign Camp" ist ihr Baby. Ob der Amerikaner bis zur Wahl 2017 im SPD-Team bleibt, lässt Fahimi offen. Fest steht: Messina wird in seiner Heimat gebraucht. Er ist Co-Chef einer wichtigen Lobbygruppe, die Hillary Clinton 2016 ins Weiße Haus hieven will. Den SPD-Anhängern im Alten Gasometer ruft Messina noch zu, die Partei habe eine tolle Führungsmannschaft. "Wenn wir alle zusammenarbeiten, können wir die Wahl gewinnen", verkündet er. Sigmar Gabriel hört das nicht. Er ist gar nicht ins "Campaign Camp" gekom men.

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