Obamas neuer Gegner oder: Der amerikanische Traum

Washington. John Andrew Boehner lässt selten eine Gelegenheit aus, seine "Tellerwäscher"-Geschichte zu erzählen. Wie er in kleinen Verhältnissen einer katholischen Familie in Cincinnati/Ohio aufwuchs und sich das einzige Badezimmer im Haus mit elf Geschwistern teilen musste

 Vom Tellerwäscher zum Millionär: John Boehner. Foto: dpa

Vom Tellerwäscher zum Millionär: John Boehner. Foto: dpa

 Vom Tellerwäscher zum Millionär: John Boehner. Foto: dpa

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Washington. John Andrew Boehner lässt selten eine Gelegenheit aus, seine "Tellerwäscher"-Geschichte zu erzählen. Wie er in kleinen Verhältnissen einer katholischen Familie in Cincinnati/Ohio aufwuchs und sich das einzige Badezimmer im Haus mit elf Geschwistern teilen musste. "Da habe ich gelernt, Kompromisse zu schließen", sagt der künftige Sprecher ("Speaker") des amerikanischen Repräsentantenhauses. Seit den Kongresswahlen ist der 60-Jährige drittmächtigster Mann der USA. Doch das bombastische Gehabe eines Newt Gingrich, der die "republikanischen Rebellen" bislang anführte, geht ihm völlig ab. Boehner ("Beyner" ausgesprochen) sieht sich mehr als Team-Spieler. Als Junge bediente John Boehner in "Andy's Cafe", der verräucherten Kneipe seines Vaters, und schrubbte nach Feierabend den Boden. Das Geld fürs College verdiente er als Handlanger auf dem Bau. Und den ersten Job nach Abschluss des Studiums trat John Boehner in einer Plastikfabrik an, wo er sich zum Partner hocharbeitete und später seine erste Million verdiente. Familie, Fleiß und Freiheit bedeuten eine Menge für Barack Obamas künftigen Gegenspieler im Kongress. So viel, dass ihm regelmäßig die Tränen in die Augen schießen, wenn er darüber spricht. Im Moment seines größten Erfolgs ringt Boehner schon nach wenigen Minuten mit der Fassung: "Ich habe mein ganzes Leben damit verbracht, dem amerikanischen Traum nachzujagen", schluchzt er nach seinem Erdrutschsieg bei den Kongresswahlen in die Kameras. Ein denkwürdiger, aber nicht ungewohnter Auftritt, der Einblick in die Psyche des Republikaners gibt. "Boehner weint vor allem dann, wenn er über sich selber spricht", erklärt eine amerikanische Kongress-Korrespondentin. "Das ist mehr Narzissmus als Selbstlosigkeit." Wofür auch das durchgestylte Auftreten des Karriere-Politikers spricht, der sich in 20 Jahren als Abgeordneter ganz klassisch nach oben diente. Den Blaumann seiner bescheidenen Anfänge tauschte Boehner auf dem Weg an die Spitze gegen Maßanzüge ein, unter denen grelle Krawatten baumeln. Die Blässe der Nachtschichten wich einem sonnengebräunten Teint, ein Markenzeichen Boehners. Was blieb, sind die Zigarette, die er schon immer Kette raucht.Der künftige "Speaker", der sich ungeniert von Lobbyisten (vornehmlich der Tabak-Industrie) unterstützen lässt, interessiert sich wenig für Details oder Ideologie. Er orientiert sich auffällig eng am Programm der Amerikanischen Handelskammer. Im neuen Kongress will Boehner die von George W. Bush festgelegten Steuersätze für die Spitzenverdiener erhalten und die Gesundheitsreform rückgängig machen. Genauer wird er nicht. In seiner neuen Rolle versteht sich der 60-Jährige mehr als Koordinator denn als Macher.Darin besteht für Boehner die eigentliche Herausforderung: Er muss die Interessen der Handelskammer versöhnen mit denen der "Tea Party"-Aktivisten, der rechtspopulistischen Bewegung innerhalb seiner Partei. Keine leichte Aufgabe für das Aushängeschild der elitären "Country Club"-Republikaner, zumal Boehner konservative Kontinuität verspricht: "Wir werden nicht anders sein, als wir gewesen sind."

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