Obamas neue Bescheidenheit

Am Wochenende sprach Barack Obama im Radio vom Leben der Totgesagten. Vor dem Start der Auto-Show in Detroit ging es um Ford, GM und Chrysler , die aus ihrem Siechtum nur gerettet wurden, weil die Regierung mit Milliardenspritzen zu Hilfe eilte.

Es war 2009 eine der ersten wichtigen Entscheidungen des neuen US-Präsidenten. Sieben Jahre später feiert die Branche in Amerika historische Umsatzrekorde.

Die dramatische Auferstehung der "Großen Drei" ist nicht nur ein schönes Thema für Hollywood. Obama, der begabte Erzähler, benutzt sie gern als Metapher, um seine Kernaufgaben zu beschreiben: den amerikanischen Patienten genesen lassen und nach der Hybris eines George W. Bush weltpolitische Bescheidenheit üben, um die eigenen Kräfte zu sammeln. Detroit kommt vor Damaskus, Kansas City vor Kandahar.

Seit geraumer Zeit vergleicht sich der Präsident gern mit einem Staffelläufer, auch das ist Ausdruck neuer Bescheidenheit. Ein Staffelläufer übernimmt den Stab, Wunder kann er kaum vollbringen. Dass er das Land in einem besseren Zustand übergibt, als er es übernahm - so lautet Obamas Definition für Erfolg. Er dürfte sie facettenreich vortragen, wenn er heute vor beiden Häusern des Kongresses die Lage der Nation skizziert. Es ist seine achte und letzte Bestandsaufnahme, präsentiert von einem Staatschef, der um Aufmerksamkeit kämpfen muss. Denn am 1. Februar geht in Iowa die erste Vorwahl der Kandidaten fürs Oval Office über die Bühne, womit sich das Interesse vollends auf den Wettstreit zwischen seinen potenziellen Nachfolgern verlagert. Hinzu kommt, dass das republikanisch dominierte Parlament jedes Bemühen um größere Reformen verhindert. Also zieht Obama schon jetzt Bilanz, es ist eine Bilanz des "America first" - Amerika zuerst.

Mit der Gesundheitsreform, die dazu führen soll, dass jeder Bürger krankenversichert ist, hat er tatsächlich Geschichte geschrieben. Zudem gibt es kleine Schritte von hoher Symbolik, die Obama überdauern werden. In seinem Amerika dürfen Homosexuelle heiraten, am Obersten Gericht urteilt erstmals eine hispanische Frau, der staatliche Mindestlohn ist auf 10,10 Dollar (9,24 Euro) angestiegen.

Dagegen steht eine Außenpolitik, in der sich die Supermacht eine merkwürdig anmutende Passivität verordnet. Die Flüchtlingskrise? In Washington ein Randthema. Der Kampf gegen den IS? Eine tragfähige Strategie ist vorerst nicht zu erkennen. Obama steht für den Schwenk nach Asien, auch das zeigt seine Halbherzigkeit. Von Anfang an versuchte er, den Kontroversen des Nahen Ostens den Rücken zu kehren, um sich der dynamischen asiatisch-pazifischen Region zuwenden zu können. Aufgegangen ist die Rechnung nicht, dafür sind die alten Konflikt felder zu wichtig. Es wäre also Zeit für eine letzte Kursänderung.

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