Obamas Balanceakt zwischen Asien und Nahost

Washington. Statt vom Lage-Raum des Weißen Hauses aus Krisendiplomatie zu betreiben, ist US-Präsident Barack Obama wie geplant nach Asien gereist. Sichtbarer Ausdruck einer Strategie, die darauf abzielt, die Supermacht nicht in den Morast eines weiteren Nahost-Konflikts hineinziehen zu lassen

Washington. Statt vom Lage-Raum des Weißen Hauses aus Krisendiplomatie zu betreiben, ist US-Präsident Barack Obama wie geplant nach Asien gereist. Sichtbarer Ausdruck einer Strategie, die darauf abzielt, die Supermacht nicht in den Morast eines weiteren Nahost-Konflikts hineinziehen zu lassen. "Wir haben militärisch zu viel im Nahen Osten gemacht", erklärte vergangene Woche der Nationale Sicherheitsberater Thomas E. Donilon. Dabei sei vor allem Asien vernachlässigt worden, wo die Zukunft des amerikanischen Wohlstands liege.Andererseits kann Obama den Nahen Osten nicht links liegen lassen. Nirgendwo wird das deutlicher als in der Gaza-Krise. Eine weitere Eskalation ist auch mit der gestern vereinbarten Waffenruhe nicht vom Tisch. Eine Bodenoffensive der israelischen Streitkräfte in dem dicht besiedelten Palästinensergebiet wäre die Lunte, die das Pulverfass Nahost zur Explosion bringen könnte.

Obama solidarisiert sich mit Israel, dessen Einwohner seit Monaten unter der ständigen Drohung von Raketen leben, die Radikale aus dem von Hamas kontrollierten Gazastreifen abfeuern. Zugleich übt er sich in Ferndiplomatie. Auf dem Weg nach Myanmar telefonierte er mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Zudem sprach er mit Ägyptens Präsident Mohammed Mursi, dessen Moslembrüder die politischen Paten der Hamas sind. Dem Vernehmen nach versucht er seinen Einfluss geltend zu machen, solange Israel keine Bodenoffensive startet.

Jenseits der öffentlichen Beteuerung des Weißen Hauses, dass Israel das Recht habe, sich selber zu verteidigen, arbeiten Außenministerin Hillary Clinton, Pentagon-Chef Leon Panetta und Nahostexperten der Regierung fieberhaft daran, eine Intervention zu verhindern. Das dürfte auch der Chef der israelischen Luftwaffe, Generalmajor Amir Eshel, bei seinem USA-Besuch vergangene Woche gehört haben. Washington fürchtet eine Kettenreaktion, die Israel am Ende mehr schwächt als hilft. Die größte Sorge gilt dem Friedensvertrag mit Ägypten und Jordanien. Mursi steht schon jetzt unter Druck radikalerer Kräfte, diesen aufzukündigen. In Jordanien könnten die Massenproteste der vergangenen Tage eskalieren und die Macht König Abdullahs in Frage stellen. "Wenn sie den Friedensvertrag aufkündigen wollen, dies wäre der gefundene Anlass", meint Martin Indyk, der einmal US-Botschafter in Israel war. Bisher habe sich Mursi zurückgehalten. Bei einer Bodenoffensive werde der Druck auf den ägyptischen Präsidenten wachsen.

Andere Experten weisen darauf hin, dass eine geschwächte Hamas in Gaza ein Vakuum schaffe, in das der Al-Qaida nahestehende Extremisten stoßen könnten. Dieselben Kräfte, die jetzt schon auf eigene Faust Raketen auf Israel abfeuern. Zusammen mit dem Bürgerkrieg in Syrien, der gespannten Lage im Libanon, wo die mit Hamas verbündete Hisbollah Raketen auf Israel gerichtet habe und dem Atomstreit mit dem Iran brächte sich Israel in eine schwierige Situation.

Paradoxerweise birgt dieser mögliche Domino-Effekt das Risiko in sich, die USA am Ende massiv in den Konflikt hineinzuziehen. Wenn die Politik des Führens mit verdeckter Hand eine Eskalation nicht verhindern kann, zwänge dies die USA in einer Weise zu intervenieren, die den Schwenk nach Asien schnell wieder vergessen machte.

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