Obama will ersten Schritt zur Welt ohne Atomwaffen

Washington. US-Präsident Barack Obama versucht, seiner Vision einer Welt ohne Nuklearwaffen mit dem Abbau "mehrerer tausend" Sprengköpfe einen Schritt näher zu kommen. Nach Informationen der Zeitung "New York Times" einigte sich das sicherheitspolitische Team im Weißen Haus bereits auf eine "drastische Reduzierung" der Bestände

Washington. US-Präsident Barack Obama versucht, seiner Vision einer Welt ohne Nuklearwaffen mit dem Abbau "mehrerer tausend" Sprengköpfe einen Schritt näher zu kommen. Nach Informationen der Zeitung "New York Times" einigte sich das sicherheitspolitische Team im Weißen Haus bereits auf eine "drastische Reduzierung" der Bestände. Die Amerikaner hätten außerdem hinter den Kulissen bei ihren europäischen Verbündeten vorgefühlt, wie diese zu einem Abzug der taktischen Atomwaffen aus Europa stehen. Der Abbau der US-Bestände wäre das sichtbare Ergebnis der Überprüfung der atomaren Ausrichtung, die US-Präsidenten alle vier Jahre vornehmen. Während die Reduzierung des mehr als 20 000 Atomwaffen großen US-Arsenals beschlossene Sache ist, bleibt die alles überragende strategische Frage bisher ungeklärt: Unter welchen Bedingungen drohen die USA künftig mit dem Einsatz von Nuklearwaffen?Wegen der widerstreitenden Ansichten innerhalb der Regierung verschob sich die bereits für vergangenen Dezember angestrebte Veröffentlichung der neuen Nuklear-Strategie. Der liberale Flügel der Demokraten fürchtet, Obama könnte dem Druck aus dem Verteidigungsministerium nachgeben und mehr Spielraum für den Einsatz von Atomwaffen geben. Darauf deutet die bekannt gewordene Formulierung hin, die die Abschreckung vor einem Schlag mit Nuklearwaffen gegen die USA oder ihre Verbündeten als das "primäre Ziel" des eigenen Atom-Arsenals bezeichnet. Damit blieben weitere Verwendungszwecke denkbar. Unter der bestehenden Doktrin, die Ex-Präsident George W. Bush in Kraft gesetzt hatte, droht Washington nukleare Vergeltung nicht nur bei Angriffen mit Atomwaffen an, sondern auch bei chemischen oder biologischen Schlägen. Auch der Einsatz gegen konventionelle Streitkräfte blieb möglich.Ebenfalls ungeklärt bleibt, ob Obama der Entwicklung neuer Atomsprengköpfe grundlegend eine Absage erteilt oder bloß den von Bush angestrebten, "Mini-Atombomben", die tief in der Erde Militärkomplexe zerstören können. Das Verteidigungs-Budget sieht unabhängig davon eine deutliche Aufstockung der Mittel für die Atomlabore und -lagerstätten vor. Vizepräsident Biden versucht den Widerspruch aufzuklären: Erst das zuverlässige Funktionieren der atomaren Rest-Kapazitäten erlaube den Abbau der Überbestände. Auf den ersten Blick erscheinen die Nuklearpläne Barack Obamas angesichts iranischer Atompläne dennoch anachronistisch. Kritiker beeilen sich, sie als Nachweis der Naivität Obamas zu brandmarken. Tatsächlich wird der drastische Abbau der Überbestände Staaten wie den Iran und Nordkorea nicht zum eigenen Verzicht bewegen. Aber er verstärkt die Glaubwürdigkeit der US-Position im diplomatischen Raum. Die USA gewinnen an "Softpower" (weiche Macht), die sie zur Durchsetzung etwa von Sanktionen oder das Aufstellen eines Nuklearschirms im Nahen Osten brauchen. Wohin die Politik des Drohens führt, ist umgekehrt gut dokumentiert. Schließlich beeilten sich Teheran und Pjöngjang in Anbetracht der aggressiven Sicherheitspolitik Bushs ihre Atomprogramme voranzubringen. Die Reduzierung der Atomarsenale dürfte sich als gute Realpolitik erweisen. Andernfalls fände Obamas Vision einer Welt mit weniger Atomwaffen kaum die Unterstützung ausgewiesener Falken wie Henry Kissinger oder George Shultz.

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