Obama kuschelt Kuba in die ideologische Krise

Mexiko. Die große Veränderung war dem kubanischen Staatsfernsehen in der Nacht zum Dienstag nur eine kleine Meldung wert. "Die US-Regierung hat die Beschränkungen für Reisen und Geldüberweisungen von Bürgern kubanischer Abstammung aufgehoben", hieß es da

Mexiko. Die große Veränderung war dem kubanischen Staatsfernsehen in der Nacht zum Dienstag nur eine kleine Meldung wert. "Die US-Regierung hat die Beschränkungen für Reisen und Geldüberweisungen von Bürgern kubanischer Abstammung aufgehoben", hieß es da. Hätten die Redakteure die wahren Ausmaße der Washingtoner Entscheidung für die kommunistische Karibikinsel realistisch bewertet, sie hätten ihr eine Sondersendung widmen müssen. Denn Obamas Politik des Dialogs könnte das Castro-Kuba schneller in die Krise kuscheln, als es ein halbes Jahrhundert Droh- und Isolationspolitik sowie Dutzende Attentatsversuche gegen Revolutionsführer Fidel Castro je vermochten. Erste Anzeichen kommen früher als erwartet. Mitglieder der kubanischen Führung warnten schon vor Tagen vor der "ideologischen Herausforderung", die mit der Aufhebung jeglicher Sanktionen für die 1,5 Millionen Cubano-Amerikaner einhergehen könnten. Diese Herausforderungen sind sowohl politisch als auch wirtschaftlich. Zum einen drohen die Machthaber in Havanna ein wichtiges Argument zu verlieren, mit dem sie manche harte politische Maßnahme nach innen begründeten: der Aggressor USA. Die Vereinigten Staaten seien immer als Feind dargestellt worden, gegen den man sich für den Verteidigungsfall wappnen müsse, sagt der kubanische Exil-Ökonom Carmelo Mesa-Lago. Dies diente auch dazu, gegen Oppositionelle im eigenen Land vorzugehen, denen man vorwarf, US-Spitzel zu sein. Das waren und sind sicher viele, aber längst nicht alle kubanischen Dissidenten. Eine vermutlich noch größere Gefahr für die Stabilität des Systems Castro stellen die ökonomischen Veränderungen dar, die mit der Aufhebung der Reisebeschränkungen einhergehen. Nach Berechnungen von Wirtschaftsexperten auf Kuba könnten sich dadurch die Besuche der US-Bürger kubanischer Abstammung auf 400 000 pro Jahr verdreifachen. Dies bringt deutlich mehr der dringend benötigten Devisen auf die Insel, weil die Verwandten aus Miami und Umgebung nicht nur viel Geld im Land ausgeben, sondern zudem Hunderttausende von Dollars bei ihren Verwandten lassen. Andererseits könnte daraus jedoch eine Dynamik entstehen, vor der die kubanischen Machthaber regelrecht Angst haben: Wenn Miami praktisch nach Havanna kommt, wird den Kubanern auf der Insel mehr und mehr bewusst, was sie entbehren müssen. Dabei geht es gar nicht so sehr um Luxusgüter wie Mobiltelefone oder Markensportschuhe, sondern um ganz banale Dinge wie Windeln und Waschmittel. Dennoch muss Havanna jeder Dollar willkommen sein, der auf der Insel ankommt. Schon 2008 war ein schlechtes Jahr für Kubas Wirtschaft mit einem Wachstum des Brutto-Inlandsprodukts von nur noch 4,3 Prozent (2007: 7,3 Prozent). Und das laufende Jahr wird erst recht schwierig: Der Weltmarktpreis für Nickel, der gut die Hälfte der kubanischen Exporte ausmacht, sackte um 80 Prozent ab. Ähnlich sieht es beim Zuckerpreis aus. Die größte Gefahr droht aber mittelbar durch den schwächelnden Ölpreis: Kubas Hauptsponsor Venezuela könnte gezwungen sein, seine Lieferungen von täglich 90 000 Fass zu reduzieren oder den Preis dafür anzuheben. Trotz dieser Gefahren ist die Führung in Havanna interessiert an normalisierten Beziehungen zu den USA. Die Väter der Revolution, die ihr ganzes Leben im Konflikt mit Washington verbrachten, wollen auch diejenigen sein, die das Ende der Eiszeit einleiten. Das wollen sie nicht ihren politischen Enkeln überlassen.

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