Obama, der Lügner

Mit jedem Tag wächst der Schaden, den die NSA-Affäre im deutsch-amerikanischen Verhältnis anrichtet. Die Hauptverantwortung dafür trägt der Präsident der Vereinigten Staaten, der sich nicht nur als skrupelloser Ablauscher, sondern auch als dreister Lügner erwiesen hat.

Zugleich wird abermals deutlich, wie verlogen das Geschäft der internationalen Diplomatie ist. Die Scheinheiligkeit der Politiker in diesem Punkt ist kaum zu überbieten.

Menschen, die nicht naiv sind, wissen: Alles, was technisch möglich ist, wird auch gemacht. Amerikaner, Russen, Chinesen, Deutsche - allesamt lauschen und spionieren sie, die einen mehr, die anderen weniger. Aber nicht alles, was machbar ist und gemacht wird, darf auch akzeptiert werden. Es ist ja gerade das Ziel von Politik, Regeln zu schaffen, die ein halbwegs erträgliches Zusammenleben der Völker und Bürger ermöglichen.

In der seit Jahren schwelenden Euro-Krise wird immer wieder darauf hingewiesen, warum es so wichtig ist, das Vertrauen der Finanzmärkte wiederherzustellen. Auch in der Politik ist Vertrauen die wichtigste Währung. Denn ohne Vertrauen werden die Menschen zynisch, sie nehmen nichts mehr ernst und entwickeln ein Verhalten, das wie ein schleichendes Gift wirkt. Am Ende steht dann genau jener Typus, der seine Interessen nicht mehr im Wettbewerb der Kräfte und Ideen durchzusetzen versucht, sondern mit fragwürdigen, "geheimen" Mitteln. Der Chef des Industrieverbands BDI, Ulrich Grillo, fordert zu Recht die internationale Ächtung von Wirtschaftsspionage. Sie ist nichts anderes als geistiger Diebstahl.

Auf die Zyniker und Schulterzucker, die sich "Realisten" nennen und das gegenseitige Belauschen und Hintergehen als naturgegeben hinnehmen, sollte man nicht hören. Es wäre die Kapitulation des zivilisatorischen Geistes vor Egoismus, Kapitalismus und Imperialismus. Die Amerikaner dürfen eben nicht alles machen, was sie wollen, und Deutschland und Europa dürfen sich eben nicht alles gefallen lassen. Sie sollten vielmehr endlich anfangen, dem Heuchler im Weißen Haus selbstbewusst und entschieden entgegenzutreten. Als erster Schritt bietet sich die Aufnahme des Whistleblowers Edward Snowden in Deutschland an, folgen muss alsbald eine europäische Initiative zum Aufbau einer eigenen digitalen Infrastruktur.

Über das Abhören der Kanzlerin sollten wir nicht weiter lamentieren. Wir sollten vielmehr froh sein, dass dieser Vertrauensbruch öffentlich geworden ist. Denn nur so besteht die Chance, dass unsere blauäugigen Volksvertreter, die in ihrer blinden Bewunderung für "die amerikanischen Freunde" ihre Schutzpflichten für die Bevölkerung vernachlässigt haben, endlich aufwachen und Gegenmaßnahmen ergreifen. Es wird Zeit.

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