„Nur geeinte Opposition kann Merkel schaden“

Die Union obenauf, die FDP unten durch – über den Wahlausgang sprach SZ-Korrespondent Stefan Vetter mit dem Berliner Politikwissenschaftler Richard Stöss.

Herr Stöss, für die FDP ist der Bundestag erst einmal Geschichte. Worauf führen Sie das zurück?

Stöss: Schon bei der letzten Bundestagswahl war die FDP völlig überbewertet. Wenn man sich mal anschaut, wie viele Stammwähler die FDP wirklich hat, dann reicht das nicht für fünf Prozent. Das heißt, die FDP war immer davon abhängig, dass ihr Zweitstimmen aus anderen Parteien zufielen. Weil die Union aber nun auch vor dem Hintergrund des neuen Wahlrechts eine Zweitstimmenkampagne vehement abgelehnt hat, konnte es für die Liberalen eigentlich nur noch schiefgehen.

Welche Chancen sehen Sie für ein liberales Comeback?

Stöss: Das hängt davon, ob die FDP einen politischen Impuls einbringen kann, von dem man sagt, die Partei wird eigentlich gebraucht. Derzeit ist da nichts erkennbar. Die Liberalen waren nur noch in der Rolle der Funktionspartei. Ich bin skeptisch, ob ihnen ein Comeback gelingt.

Die Euro-kritische AfD ist aus dem Stand unerwartet stark geworden. Kann Angela Merkel mit ihrer Europa-Politik da so weiter machen wie gehabt?

Stöss: Ich gehe nicht davon aus, dass das den Euro-Kurs von Frau Merkel beeinflusst. Denn jetzt hat das Unbehagen unter den Unionswählern mit dem herrschenden Euro-Kurs eine parteipolitische Hülle gefunden. Die Gegner dieser Politik sind jetzt in der AfD. Aber sie bedrohen Merkels Politik nicht. Für Merkel ist das ein strategischer Vorteil.

Merkel ist nach dieser Wahl so stark wie nie. Sehen Sie Parallelen zu Altkanzler Helmut Kohl?

Stöss: Bei Kohl war das Problem, dass er am Ende aus innenpolitischen Gründen abgestürzt ist. Er war der Kanzler der deutschen Einheit. Als aber dann die inneren Verhältnisse des gesamten Deutschlands zu regeln waren, hat er versagt. Das Problem für Merkel wird sein, wie sich die politische Konkurrenz entwickelt. Wenn SPD, Grüne und Linkspartei gespalten bleiben, dann wird Merkel auch in Zukunft die Oberhand haben. Die Frage ist dann nur, wer ihr Nachfolger werden könnte. Derzeit gibt es nichts, was Merkels starke Stellung in Frage stellen könnte. Es sei denn, eine geeinte Opposition.

Die SPD hat nach dem Desaster 2009 nur geringfügig an Stimmen hinzugewonnen. Kann man sie noch als Volkspartei bezeichnen?

Stöss: In der Parteienforschung bezeichnet man eine Partei als Volkspartei, wenn sie Wähler aus allen Schichten der Bevölkerung ansprechen will. So betrachtet kann auch eine Partei mit zehn Prozent Volkspartei sein. Bei der SPD fallen die Defizite bei der Mittelschicht, aber auch bei der Unterschicht ins Gewicht.

Hat die SPD so schlecht abgeschnitten, weil Merkel für viele Wähler so gut war, oder ist ihr Ergebnis hausgemacht?

Stöss: Beide Aspekte spiegeln sich in dem schwachen Ergebnis für die SPD wider. Merkel ist ungeheuer beliebt, selbst bei den Sympathisanten der Sozialdemokraten. Und auf der anderen Seite gab es die Inszenierung um Peer Steinbrück, die von Anfang an völlig falsch gelaufen ist. Insofern muss sich die SPD nicht über ihr Wahlergebnis wundern.

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