Nur ein Meilensteinchen

Meinung · Dass die Mission erfüllt sei, wird so schnell keiner mehr behaupten im Weißen Haus. "Mission Accomplished" - kaum hatte George W. Bush selbstgefällig dieses Banner auf einem Flugzeugträger entrollen lassen, liefen ihm die Dinge im Irak katastrophal aus dem Ruder. Das steckt vielen in Washington noch in den Knochen

Dass die Mission erfüllt sei, wird so schnell keiner mehr behaupten im Weißen Haus. "Mission Accomplished" - kaum hatte George W. Bush selbstgefällig dieses Banner auf einem Flugzeugträger entrollen lassen, liefen ihm die Dinge im Irak katastrophal aus dem Ruder. Das steckt vielen in Washington noch in den Knochen. Schon deshalb wählt Barack Obama lieber den leisen Ton, mögen seine Generäle in Nahost auch eine große Medien-Show inszenieren und einen Meilenstein feiern: den Abzug der letzten Kampfbrigade aus dem Zweistromland. Man kann sie gut verstehen, die Erleichterung der abziehenden Soldaten. In den gut sieben Jahren seit dem Einmarsch in Bagdad verloren mehr als 4000 "Boys in Uniform" ihr Leben - ebenso wie mindestens 100 000 Iraker, von denen leider nur selten gesprochen wird. Obama wiederum gewann als Präsidentschaftskandidat an Profil, weil er von Beginn an gegen diese Invasion war, gegen den "dummen Krieg", wie er ihn nannte. Nun sollen eingehaltene Rückzugs-Fahrpläne beweisen, dass er eisern Kurs hält. Es ändert nichts daran, dass die Skepsis bleibt. Erstens ist es ja gar nicht das Ende eines Kapitels. 50 000 US-Soldaten bleiben im Land, die letzten bis Weihnachten 2011. Und natürlich sind es Kampfbrigaden, auch wenn man sie umbenennt in "beratende Truppen". Falls sich die Spannungen verschärfen, werden die Uniformierten wohl kaum aus ihren Camps zuschauen. Sie werden kämpfen müssen. Und bis Ende 2011 kann viel passieren, der Irak bleibt ein Unruheherd.Auf welch dünnem Eis der Fortschritt ruht, zeigt das aktuelle Machtgerangel. Fünf Monate nach der Parlamentswahl haben sich die irakischen Rivalen noch immer nicht darauf verständigt, wie die nächste Regierung aussehen soll. Und solange diese Hürde nicht genommen ist, können optimistische Szenarien schnell zu Makulatur werden. Zweitens markieren die US-Konvois, die über die Grenze nach Kuwait rollten, auch für Washington nur eine gefühlte Verschnaufpause, die in Wahrheit gar keine ist. Das Land bleibt im Krieg: in Afghanistan. Dort kann Obama ein zweites Vietnam blühen, droht er sich doch immer mehr zu verheddern in den Fallstricken einer Weltgegend, die Amerika immer fremd bleiben wird. Schon weil er den Krieg am Hindukusch zum richtigen erklärte, im Gegensatz zum falschen im Irak, fällt Obama der Befehl zum Rückzug schwer. Also werden sie wahrscheinlich irgendwann nach Kabul oder Kandahar verlegt, die Soldaten, die heute aus Nahost heimkehren. Für die kriegsmüde Mehrheit der Amerikaner ändert sich damit nichts an der Stimmungslage. Der symbolische Abzug aus Bagdad ist kein Meilenstein. Höchstens ein Meilensteinchen.

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