Notenbank-Chef Jerome Powell Trumps Sündenbock für die drohende Rezession

Washington · Es ist Donald Trumps stärkstes Argument für seine Wiederwahl: Eine florierende Wirtschaft bringt die schwankenden Wähler der Mitte dazu, ihm noch einmal den Zuschlag zu geben, auch wenn sie sich sonst an vielem reiben, an seinem selbstherrlichen Regierungsstil, seinen Tiraden, an der Art, wie er Kontrahenten niedermacht.

 Jerome Powell ist der Chef der US-Notenbank.

Jerome Powell ist der Chef der US-Notenbank.

Foto: AP/Manuel Balce Ceneta

Was aber, wenn das Argument nicht mehr zieht, weil sich auch in den USA die Wachstumsaussichten eintrüben? Wie sehr die Frage den Präsidenten umtreibt, erkennt man schon daran, dass er zum einen immer neue Ideen in die Debatte wirft, oft, um sie kurz darauf zu kassieren. Und zum anderen nach Sündenböcken sucht, denen er die Schuld an einem eventuellen Abschwung geben kann.

Trump ist bekannt für seine Sprunghaftigkeit, doch diese Woche stellte er diesbezüglich einen neuen Rekord auf. Erst bestätigte er Medienberichte, nach denen er an die Senkung der Lohnsteuer denkt, um die Konjunktur anzukurbeln. 24 Stunden später nahm er das Gesagte zurück. Er sehe keinen Grund dafür, „wir brauchen es nicht, wir haben eine starke Wirtschaft“.

Die Kehrtwende erklärt sich durch Zahlen, nach denen das Haushaltsdefizit des amerikanischen Bundes deutlich schneller wächst als erwartet. Im Finanzjahr 2019, es endet am letzten Septembertag, wird es nach Schätzungen des Congressional Budget Office (CBO) auf 960 Milliarden Dollar gestiegen sein – und das in Zeiten rekordniedriger Arbeitslosigkeit, in denen Defizite eigentlich abgebaut werden müssten. Für 2020 rechnen die Experten des Etatbüros des Parlaments sogar mit einer Lücke von einer Billion Dollar. Einen der Gründe sieht das CBO in einem massiven Rückgang an Steuereinnahmen, eine Folge der Reform, mit der Trump sowohl die Unternehmens- als auch die Einkommenssteuer senkte.

Klar ist: Die Prognosen begrenzen den Handlungsspielraum des Präsidenten. In die Zwickmühle geraten, verschärft er seine Kritik an einem Mann, der schon seit Längerem für die Rolle des Prügelknaben herhalten muss. Jerome Powell, den Chef der amerikanischen Notenbank, charakterisiert Trump neuerdings als einen Golfer, der einfach nicht wisse, wie man einen Ball ins Loch schlage. Die Federal Reserve möge aufwachen, statt so schläfrig wie bisher zu agieren, setzt er hinzu. Zwar hat die Fed Ende Juli zum ersten Mal in Trumps Amtszeit den Leitzins herabgesetzt, allerdings nur um einen Viertelpunkt, während der Präsident eine Senkung um einen vollen Prozentpunkt verlangte. Powell, sagt er nun, sei „das einzige Problem“, das die amerikanische Wirtschaft belaste.

Prügelknabe Powell erinnerte Trump mit diplomatischer Kühle daran, wann die Fed an ihre Grenzen stößt. Zwar sei Geldpolitik ein mächtiges Instrument, um etwa das Konsumentenverhalten zu beeinflussen, sagte er am Freitag auf einer Tagung der wichtigsten Notenbankchefs der Welt im Rocky-Mountains-Kurort Jackson Hole, eines aber könne sie nicht leisten: ein von allen akzeptiertes Regelbuch für den internationalen Handel abliefern. Der Ball, machte Powell deutlich, liegt in der Spielhälfte der Politik.

Zu denen, die Trump widersprechen, gehört auch das „Wall Street Journal“. Wenn Trump neue Impulse geben wolle, schreibt die Zeitung, könne er dies am ehesten tun, indem er die „Handelsunsicherheitssteuer“ senke. Im Klima der Verunsicherung, das er mit seinen Handelskriegen heraufbeschwöre, sei es kein Wunder, dass sich Unternehmen mit Investitionen zurückhielten.

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