Noch ein Liebesbeweis für den alternden Diktator

Peking. Diktatur ist ein hässliches Wort, selbst in den Ohren von Kim Jong-il. Deswegen lässt sich Nordkoreas Tyrann seinen Regierungsauftrag alle fünf Jahre bestätigen. Per Stimmzettel, wie es sich gehört

Peking. Diktatur ist ein hässliches Wort, selbst in den Ohren von Kim Jong-il. Deswegen lässt sich Nordkoreas Tyrann seinen Regierungsauftrag alle fünf Jahre bestätigen. Per Stimmzettel, wie es sich gehört. An diesem Sonntag ist es wieder so weit: 687 Bewerber stehen für ebenso viele Parlamentssitze in der Obersten Volksversammlung zur Abstimmung, darunter in Wahlkreis 333 auch der Geliebte Führer persönlich. Die Kandidatur des 67-Jährigen habe "bei allen Männern und Beamten der Volksarmee und den Menschen im ganzen Land gewaltige Emotionen und überschwängliche Freude ausgelöst", meldete die offizielle Nachrichtenagentur KCNA. Die Stimmabgabe ist Pflicht, und da das Wahlverfahren Auszählungspannen ausschließt, dürften pünktlich zu den Abendnachrichten die erwünschten 100-Prozent-Ergebnisse vorliegen. "Die Wahl wird die Überlegenheit und Vitalität unserer eigenen Form des Sozialismus unter Beweis stellen", kommentierte die Staatspresse den Ausgang schon vorab. "Die gesamte Wählerschaft brachte ihre Erwartung und Überzeugung zum Ausdruck, dass die nominierten Kandidaten sich dem heiligen Kampf widmen werden, die Regierung der Republik zu stärken, das sozialistische System fest zu verteidigen und eine wohlhabende, mächtige Nation aufzubauen." Dafür werde sich das Parlament "rund um das Nervenzentrum der Revolution vereinigen, an deren Spitze der große Genosse Kim Jong-il steht." Obwohl die Wahl kaum mehr ist als eine Formalie mit Propaganda-Effekt, erhoffen sich ausländische Beobachter ein paar rare Hinweise auf interne Machtverschiebungen innerhalb der Herrschaftselite in Pjöngjang. So soll nach einem Bericht der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap erstmals Kims Sohn Kim Jong-un für die Wahl aufgestellt sein. Der etwa 25-Jährige gilt seit einigen Monaten als designierter Nachfolger seines gesundheitlich angeschlagenen Vaters. Südkoreas Wiedervereinigungsministerium will noch sechs weitere politische Aufsteiger ausgemacht haben, die nach der Wahl wichtigere Posten erhalten könnten, darunter etwa der Erste Sekretär der Jugendliga der Arbeiterpartei, Ri Yong-chol. Kim senior war im vergangenen Herbst monatelang von der Bildfläche verschwunden, offenbar infolge eines Schlaganfalls. Zuletzt trat er zwar wieder öffentlich auf und empfing sogar ausländische Gäste, doch Fotos zeigten Spuren einer schweren Krankheit. Nordkoreas Regime weist Spekulationen über den Gesundheitszustand des Diktators allerdings vehement zurück und versucht, nach außen Stärke zu beweisen. Die Beziehungen zu Südkorea wurden zuletzt deutlich schlechter. Pjöngjang drohte mehrfach, die koreanische Halbinsel stehe "am Rande eines Krieges". Am Donnerstag warnte eine KCNA-Meldung die südkoreanischen Fluglinien Korean Air und Asiana Airlines, dem nordkoreanischen Luftraum nicht zu nahe zu kommen. Für die Sicherheit ziviler Passagiermaschinen könne man in den kommenden Wochen nicht garantieren, hieß es. Pjöngjang reagiert damit auf ein zwölftägiges Manöver südkoreanischer und amerikanischer Truppen, das am Montag beginnen soll. Verteidigungsexperten befürchten zudem, Nordkorea könnte in naher Zukunft mit dem angekündigten Test einer neuen Langstreckenrakete oder dem Start eines selbst gebauten Satelliten Ernst machen. Nach Angaben japanischer Medien dürfte sich Kim dafür ein besonders symbolträchtiges Datum aussuchen. Sein bevorstehender Wahlsieg am Sonntag wäre eines.

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