Nicht zu viel des Bösen

Israels Premier Benjamin Netanjahu steht vor einem heiklen Balance-Akt. Kriege rund um Gaza bergen immer die Gefahr, Koalitionspartner und Wähler zu verprellen, Israel international zu isolieren, der Wirtschaft nachhaltig zu schaden – und am Problem selbst kaum etwas zu ändern.

Dabei erleichtert der rückhaltlose Beschuss israelischer Städte vorerst Netanjahus Job: Seit Monaten rackert er sich ab, um seine Koalition von rechten Siedlern einerseits und Befürwortern der Zweistaatenlösung (Israel und Palästina) andererseits bei der Stange zu halten. Die menschenrechtswidrigen Salven der Hamas aus Gaza, die inzwischen fast das ganze Land erfassen, einen die Reihen in Jerusalem. Alle wollen, dass der Premier die Abschreckung wiederherstellt. Doch diese Aufgabe stellt ihn vor ein fast unlösbares Dilemma.

Um Abschreckung herzustellen, muss er hart agieren, die Hamas empfindlich treffen. Das wiederum kann auch für Israel verheerende Konsequenzen haben: Je mehr Netanjahu die Islamisten herausfordert, desto intensiver wird der Beschuss werden. Früher rief das Diplomaten auf den Plan, die den Leidensdruck auf beiden Seiten und die Angst vor einer weiteren Eskalation nutzten, um einen Waffenstillstand auszuhandeln. Aber die klassischen Vermittler fallen aus: Die USA sind anderweitig beschäftigt, die EU hat keine Hebel. Die Ägypter könnten die Hamas , die eine Tochter-Organisation der Muslimbrüder ist, höchstens mit Zugeständnissen umstimmen - woran sie derzeit allerdings kein Interesse zu haben scheinen.

Netanjahu bleibt also nur die Wahl, entweder klein beizugeben und daheim Gesicht, möglicherweise sogar das Amt zu verlieren oder in Gaza mit Bodentruppen einzumarschieren und damit internationale Ächtung zu riskieren. Doch auch der Luftkrieg allein birgt mehr Gefahren als den Image-Schaden durch die Bilder toter Zivilisten: In einer Zeit, in der Syrien, Irak und der Libanon von Dschihadisten zersetzt werden und Al Qaida sich im Sinai austobt, droht dem Gazastreifen ein politisches Vakuum, falls die Hamas zu sehr geschwächt wird. Ein völliges Chaos im Grenzgebiet wäre jedoch verheerend für Israel. So will Netanjahu der Hamas zwar möglichst wehtun, sie aber nicht völlig zerschlagen. Auf diese Weise Abschreckung herzustellen, ist jedoch schwer. Zumal sich die Hamas des israelischen Dilemmas völlig bewusst ist. Sie hält die Drohung von einem Einmarsch für einen Bluff und fühlt sich ermutigt, weiter anzugreifen, um ihre schlechte Verhandlungsposition zu verbessern.

Die Islamisten spielen ihre schlechten Karten vorerst gut, Netanjahu seine Asse schlecht. So ist bei dem strategischen Poker nicht klar, wer am Ende was gewinnen kann. Nur die Verlierer stehen wie üblich längst fest: die Zivilisten auf beiden Seiten.

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