Analyse Warum Afrika für Helfer immer gefährlicher wird

Mogadischu/Goma · Die Angriffe scheinen sich zu häufen. Im vergangenen Jahr wurde eine deutsche Krankenschwester, die für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz arbeitet, in Somalia entführt. Von ihr fehlt noch immer jede Spur.

Im April wurde im Kongo ein Arzt der Weltgesundheitsorganisation getötet, der Ebola bekämpfte. Und vergangene Woche wurden im Nordosten Nigerias sechs Helfer von einer Terrorgruppe entführt.

Mitarbeiter von Hilfsorganisationen haben sich schon immer in die gefährlichsten Gebiete Afrikas begeben: Dort, wo Bürgerkriege wüten, Krankheiten sich ausbreiten, Milizen die Bevölkerung terrorisieren und kriminelle Netzwerke aktiv sind. Doch in den vergangenen Jahren scheint die Arbeit für Helfer auf dem afrikanischen Kontinent immer gefährlicher geworden zu sein. Ist das nur ein Gefühl oder doch Realität? Und wenn Letzteres – warum?

„Leider steigt die Gefährdungslage an“, sagt Bodo von Borries vom Dachverband der entwicklungspolitischen und humanitären NGOs in Deutschland. 2018 wurden einem Bericht von Humanitarian Outcomes zufolge weltweit 399 Entwicklungshelfer Opfer von großen Angriffen – das zweitschlimmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Helfer wurden verletzt, entführt, sexuell belästigt, getötet. Am meisten leiden lokale Mitarbeiter der NGOs. Drei der fünf gefährlichsten Länder liegen demnach in Afrika: der Südsudan, der Kongo und die Zentralafrikanische Republik.

Konflikte und bewaffnete Gruppen gab es schon immer. Doch nach von Borries Einschätzung liegt der Anstieg der Gewalt unter anderem daran, dass die humanitäre Hilfe heute weniger neutral ist als früher. Milizen und Terrorgruppen sähen humanitäre Hilfe zunehmend „als westliches Instrument“, sagt er. Dies sei aber nicht nur eine Wahrnehmung: „Die staatliche humanitäre Hilfe hat sehr zugenommen. Sie wird immer wieder auch als politische Mittel eingesetzt.“

Auch die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) an sich hat sich verändert. Einsätze seien heute länger als früher, sagt von Borries. Humanitäre Hilfe geht demnach oft über akute Krisensituationen hinaus in die Entwicklungsarbeit, auch in den Bereichen Gesundheit und Bildung.

Moussa Sangara spürt die Gefahrenlage täglich am eigenen Leib. Er leitet für World Vision den Kampf gegen Ebola im Ost-Kongo. In der Region sind etliche Milizen aktiv, die die Bevölkerung terrorisieren und oft Ebola-Helfer angreifen. Außerdem herrsche in der Bevölkerung Angst gegenüber der Arbeit der Helfer, was als Einmischung misstrauisch beäugt wird. Seit Januar wurden der WHO zufolge mindestens 58 Gesundheitsarbeiter und Ebola-Patienten verletzt und sieben getötet. Sangara und sein Team können ihre Arbeit nur nach striktem Sicherheitsprotokoll ausführen.

In den vergangenen Jahren ist eine weitere, fast unsichtbare Gefahr für Helfer gewachsen: die des „shrinking space“, des schrumpfenden Handlungsspielraums für NGOs. Immer mehr restriktive Gesetze, bürokratische Hürden und Repressalien durch staatliche Akteure erschweren die Arbeit. In Burundi etwa wurde ein Gesetz erlassen, das von NGOs eine Quote ethnischer Gruppen verlangt. Daraufhin schlossen etliche internationale Organisationen ihre Büros.

Die Organisation Freedom House sieht in Afrika einen klaren Trend zu „Anti-NGO-Bestimmungen“. Demnach haben binnen 15 Jahren zwölf afrikanische Staaten Gesetze eingeführt, die NGOs einschränken, darunter der Sudan, Äthiopien, Ruanda, Tansania und Tunesien. Dabei geht es laut von Borries oft um den Machterhalt. Früher hätten sich viele Staaten nicht getraut, derartige Gesetze zu erlassen, die „politischen Kosten solcher Kontrollversuche waren zu hoch“. Heute sei „die Hemmschwelle gesunken“.

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