Musterschüler Deutschland hat ein Kohle-Problem

Marrakesch · Deutschland ist internationale Bestnoten gewohnt, wenn es ums Klima geht. Auch bei der Weltklimakonferenz in Marrakesch gibt es Lob - etwa für ein Beratungsprogramm für Länder, die erstmal lernen müssen, wie man Klimaschutz plant. "Wir sind vorn", sagt Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU ) im Brustton der Überzeugung. Doch das sehen nicht alle so. Für das Endlos-Gezerre um den deutschen Klimaschutzplan verliehen Umweltschützer der Bundesrepublik erst vorige Woche den zweifelhaften Titel "Fossil des Tages". Und nun geben zwei Organisationen auch noch bekannt, dass Deutschland beim Klimaschutz weltweit nur auf Platz 29 landet - hinter Indien.

Die Aktivisten von Ger man watch und CAN Europe stören sich vor allem an Deutschlands Kohlepolitik. Es gebe keinen Ausstiegsplan, sagt Jan Burck, der den Klimaschutz-Index mitverfasst hat. Die Emissionen seien in den vergangenen Jahren kaum gesunken, und die Klimaziele 2020 werde Deutschland voraussichtlich auch reißen. Kleiner Lichtblick: Der neue Klimaschutzplan wurde erst am Montag verabschiedet, im Index ist er daher noch nicht berücksichtigt.

Die deutschen Offiziellen nehmen die Watsche ohnehin eher gelassen. Michael Schroeren, Pressechef von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD ), schimpft auf Twitter : Der Index sei "höchst subjektiv und willkürlich". Schroeren zielt unter anderem auf das Thema Atomkraft. Unter den Top drei der 58 gelisteten Länder sind Frankreich und Großbritannien, die auch künftig auf Atomkraft setzen wollen. "Das ist ein Klimaschutzindex, kein Nachhaltigkeitsindex", sagt Burck. Natürlich seien Atommeiler keine gute Lösung, weil sie andere Gefahren mit sich brächten.

Auch wenn man über die Rangliste diskutieren kann: Dass Deutschland trotz Energiewende weiter am klimaschädlichen Kohlestrom hängt, ist kaum zu bestreiten. Zwar steigt der Anteil der Erneuerbaren, aber die Kohlekraftwerke exportieren emsig ins Ausland. Und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel kegelte gerade erst eine Kommission, die den Kohleausstieg als "Vollendung der Energiewende " vorbereiten sollte, aus dem Klimaschutzplan der Regierung.

Der Klimaschutz-Index schaut freilich nicht nur auf Deutschland, sondern auf fast die ganze Welt - auf 58 Länder, die zusammen 90 Prozent der Treibhausgase in die Atmosphäre blasen. Und da gibt es durchwachsene Nachrichten: Das Abkommen von Paris habe erneuerbaren Energien und wirkungsvoller Energienutzung "weltweit Rückenwind gegeben", schreiben die Autoren. Fortschritte bei Wind- und Sonnenstrom machten etwa China, Indien und Marokko. Zuvor hatte bereits der Forschungsverband "Global Carbon Project" die positive Botschaft verbreitet, dass die weltweiten CO{-2}-Emissionen trotz wachsender Weltwirtschaft kaum gestiegen seien - das dritte Jahr in Folge. Unterm Strich legen sie aber trotzdem zu, und die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre ist nach UN-Angaben hoch wie nie.

Für das Ziel des Pariser Abkommens, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen, reiche es in keinem Land, heißt es denn auch im Klimaschutz-Index. Die ersten drei Plätze des Rankings blieben deswegen auch dieses Jahr leer. Das Fazit steht stellvertretend für die gesamte Klimakonferenz in Marrakesch : Die Welt kennt das Ziel, sie kennt den Weg dahin und ist schon ein Stück weit gegangen - aber sie muss sich jetzt sputen.

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