Moskau löscht den Hoffnungsfunken

Berlin · Es hätte, sagt Außenminister Frank-Walter Steinmeier gelegentlich, viele Möglichkeiten gegeben, den Konflikt in Syrien nicht ausufern zu lassen. Jetzt, 250 000 Tote und zwölf Millionen Flüchtlinge später, ist die Lage vertrackter denn je.

In Syrien wird ein Stellvertreterkrieg ausgefochten, dessen Fronten und Teilnehmer immer zahlreicher werden. In den Hauptrollen: Präsident Baschar al-Assad, der Iran, die Hisbollah , die zerfaserte innersyrische Opposition, Saudi-Arabien, die Türkei, die USA, die Kurden. In Nebenrollen: Europa und Israel. Der radikale IS wird inzwischen von allen als Gefahr angesehen, das ist wenigstens eine Gemeinsamkeit.

Neuerdings mischt auch Russland aktiv in Syrien mit, und Moskaus Militäreinsatz hat alles noch komplizierter gemacht. Diktator Assad, der schon in der Defensive war, wird dadurch gestärkt und die Opposition geschwächt. Moskau büßte deshalb bei den sunnitischen Ländern der Region, etwa Saudi-Arabien, viel Vertrauen ein. Europäische Diplomaten können einen langfristigen Sinn in der Aktion nicht erkennen, nur die kurzfristige Absicht, auf Augenhöhe mit den USA "mitzuspielen". Der Preis dafür ist hoch.

Für eine Lösung müssten alle wichtigen Akteure an einen Tisch. Es gibt ein Format, das sich schon bei den Iran-Atomverhandlungen bewährt hat: die UN-Vetomächte Russland, China und USA plus die drei großen Europäer Deutschland, England und Frankreich als quasi neutraler Block. Dazukommen müssten die drei großen Regionalmächte Türkei, Iran und Saudi-Arabien. Darüber wurde schon geredet, unter anderem am Rande der UN-Vollversammlung. Damit letztere mitmachen, müssten allerdings Iran und Saudi-Arabien ihren gegenseitigen Hass vorübergehend auf Eis legen. Schon das scheint ein Ding der Unmöglichkeit, stehen doch beide im Jemen praktisch direkt in einem weiteren Stellvertreterkrieg gegeneinander.

Diese Runde müsste sich über ein Modell der Machtteilung zwischen den syrischen Volksgruppen und einen Übergangsprozess verständigen. Anschließend könnte man einen Waffenstillstand unter internationaler Beobachtung und Kontrolle vereinbaren - womöglich mit deutscher Beteiligung. Vorraussetzung für diesen Weg ist die Antwort auf die Frage, was aus Assad wird. Bis vor kurzem deuteten sich erste Lösungen an: Keine Seite beharrte zuletzt mehr hart darauf, dass er entweder sofort das Amt abgeben (Opposition) oder auf ewig an der Macht bleiben müsse (Iran). Stattdessen war eine Übergangsfrist im Gespräch. Der demonstrative Empfang des Diktators im Kreml vorige Woche hat diese Überlegungen wieder vom Tisch gewischt. Assad denkt nicht daran zu weichen, und Wladimir Putin unterstützt ihn dabei.

Ein Frieden oder auch nur Waffenstillstand ist in Syrien derzeit nicht in Sicht. Bisher kommen die UN ebenso wenig weiter wie die Deutschen, die ihre diplomatischen Aktivitäten verstärkt haben. Es gibt allerdings einen Grund, der dafür spricht, dass sich das demnächst ändern könnte: Syrien ist ausgeblutet, es gibt dort nicht mehr viele zum Sterben und nichts mehr zu zerstören. Kaum eine Seite - außer vielleicht Russland - glaubt noch, den Konflikt militärisch entscheiden zu können. Auch die Nachbarländer, die vier Millionen Flüchtlinge beherbergen, sind regelrecht erschöpft. Die ganze Region fürchtet, in den Strudel hineingerissen zu werden. Sogar Europa ist durch den Flüchtlingsstrom massiv betroffen. Es ist eine echte Weltkrise.

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