Mit Waffen für Taiwan riskiert Obama viel

Washington/Peking. Auf einmal wirkt George W. Bush wie ein sanfter Diplomat: Bei aller internationalen Krawallpolitik gelang es dem ehemaligen US-Präsidenten immerhin, das schwierige Verhältnis zu China - der einzigen Supermacht neben den USA - acht Jahre lang vor übermäßigen Erschütterungen zu bewahren

Washington/Peking. Auf einmal wirkt George W. Bush wie ein sanfter Diplomat: Bei aller internationalen Krawallpolitik gelang es dem ehemaligen US-Präsidenten immerhin, das schwierige Verhältnis zu China - der einzigen Supermacht neben den USA - acht Jahre lang vor übermäßigen Erschütterungen zu bewahren. Sein Nachfolger Barack Obama hat es dagegen in nur einem Jahr geschafft, die amerikanisch-chinesischen Beziehungen Schritt für Schritt in Richtung Gefrierpunkt zu bewegen. Nach Streitigkeiten um Anti-Dumping-Zölle, Währungsmanipulation, Finanzmarktreform, Klimaschutz oder Internetzensur entzündet sich der jüngste Konflikt an angekündigten US-Waffenverkäufen an Taiwan.Nachdem die US-Regierung dem Kongress am Freitag vorgeschlagen hatte, Taiwan moderne Waffensysteme im Wert von 6,4 Milliarden Dollar (4,6 Milliarden Euro) zu liefern, startete Peking umgehend eine Gegenoffensive. Der US-Botschafter und sein Militärattaché wurden ins Außenministerium einbestellt und gewarnt, dass die Rüstungsexporte den ohnehin schon angespannten Beziehungen ernsthaften Schaden zufügen würden. Waffenverkäufe an Taiwan, das von der Volksrepublik als abtrünnige Provinz gesehen wird, beeinträchtigten "Chinas nationale Sicherheit und die große Aufgabe der Wiedervereinigung mit Taiwan", zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua Außenminister Yang Jiechi. Die USA sollten "Chinas Kerninteressen und Hauptsorgen wahrhaftig respektieren und diese falsche Entscheidung umgehend zurücknehmen." Zwar argumentiert das US-Außenministerium, die Waffen würden dazu beitragen, "die Sicherheit und Stabilität in der Meeresenge zwischen Taiwan und China zu gewährleisten". Doch derartige Argumente klingen in Peking wie eine Provokation. Schließlich rüstet die Volksbefreiungsarmee seit Jahren auf, um die Insel im Fall einer taiwanesischen Unabhängigkeitserklärung notfalls militärisch zurückerobern zu können. Bisher ist China dazu nach weitestgehend übereinstimmender Ansicht westlicher und chinesischer Militärexperten allerdings noch nicht in der Lage. In den kommenden Jahren könnte das Kräfteverhältnis aber zugunsten der Volksrepublik kippen. Die Taiwanesen wollen mit den Waffenkäufen ihren Status als de facto unabhängiger Staat möglichst lange absichern, auch wenn Präsident Ma Ying-jeou eine wirtschaftliche Annäherung an die Volksrepublik anstrebt.Für Obama stehen neben militärstrategischen wirtschaftliche Interessen der beteiligten US-Firmen im Vordergrund. Doch ob hier für die USA tatsächlich ein gutes Geschäft winkt, ist strittig. Denn Peking hat angedroht, US-Unternehmen, die sich an den Waffenlieferungen beteiligen, auf dem chinesischen Markt mit Sanktionen zu bestrafen. Da zu den betroffenen Konzernen Luftfahrtkonzerne wie Boeing oder Lockheed Martin gehören, für die China ein wichtiger Kunde ist, könnte es den Chinesen möglicherweise noch gelingen, das Rüstungspaket zu stoppen oder zu verkleinern und Obama eine herbe politische Niederlage zu bescheren. Doch auch sonst hat Peking reichlich Möglichkeiten, sich an Obama zu rächen. Schon heute gewährt die Volksrepublik einigen der aggressivsten Herausforderer der USA politische Rückendeckung, darunter dem Iran und Nordkorea. Wenn Obama dort erfolgreicher sein will als sein Vorgänger, ist er notgedrungen auf Chinas Hilfe angewiesen.

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