Mit Polit-Proporz zu höchsten Richter-Weihen

Berlin/Karlsruhe. Das Verfahren ist ungefähr so transparent wie eine Papstwahl: Heute bestimmen zwölf Abgeordnete des Bundestages in geheimer Sitzung neue Richter für das Bundesverfassungsgericht. Jeder braucht eine Zwei-Drittel-Mehrheit, deshalb sind Absprachen die Regel. Die drei Kandidaten für die laufende Besetzungsrunde stehen fest

Berlin/Karlsruhe. Das Verfahren ist ungefähr so transparent wie eine Papstwahl: Heute bestimmen zwölf Abgeordnete des Bundestages in geheimer Sitzung neue Richter für das Bundesverfassungsgericht. Jeder braucht eine Zwei-Drittel-Mehrheit, deshalb sind Absprachen die Regel. Die drei Kandidaten für die laufende Besetzungsrunde stehen fest. Ihre Wahl gelte als beinahe sicher, sagen Mitglieder des Ausschusses im Vorfeld.Traditionell behandeln die Parteien die Richterstellen wie Erbhöfe: Für einige hat die Union ein ungeschriebenes Vorschlagsrecht, für andere die SPD; mittlerweile dürfen auch die Grünen ein bisschen mitbestimmen. Die Hälfte der 16 Richterstellen wird vom Wahlausschuss des Bundestages bestimmt, die andere Hälfte wählt der Bundesrat. Im Zweiten Senat sind derzeit zwei Stellen zu besetzen: Die Amtszeiten von Siegfried Broß und Lerke Osterloh sind bereits abgelaufen. Broß kam auf Vorschlag der CSU ans Gericht - als Nachfolger schlägt die Union den thüringischen Innenminister Peter Michael Huber (CDU) vor. Der 51-Jährige kommt eigentlich aus Bayern und gilt als auch in der CSU verwurzelt. Vor dem Ministeramt, das er vor einem Jahr antrat, lehrte der Staatsrechtler an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. Das Vorschlagsrecht für die Nachfolge Lerke Osterlohs liegt bei der SPD. Sie benannte die BGH-Richterin Monika Hermanns (51), die im achten Zivilsenat des Bundesgerichtshofs unter anderem für das Wohnraum-Mietrecht zuständig ist. Jeweils drei Stellen pro Senat werden aus den Reihen der obersten Bundesrichter besetzt.Die Grünen schließlich dürfen einen Nachfolger für Brun-Otto Bryde vorschlagen, dessen Amtszeit im Januar endet. Bei seiner Wahl hatte die SPD erstmals ihr Vorschlagsrecht an die Öko-Partei abgetreten. "Das lassen sich die Grünen natürlich nicht mehr nehmen", erklärt ein Ausschussmitglied. Brydes Nachfolgerin soll Susanne Baer werden, Professorin für "Öffentliches Recht und Geschlechterstudien" an der Berliner Humboldt-Universität. Auch wenn Baers feministische Ausrichtung zunächst skeptisch betrachtet wurde: Die fachliche Qualifikation der 46-Jährigen steht außer Frage. Zuletzt überzeugte sie beim Deutschen Juristentag als gewandt argumentierende Diskutantin.Neu ist die Möglichkeit kritischer Nachfragen: Bis zur Wahl sollen sich alle Kandidaten bei den Fraktionen im Wahlausschuss vorstellen. "Man hat die Gelegenheit zum persönlichen Gespräch und weiß, wen man wählt", sagt der Ausschussvorsitzende Wolfgang Neskovic (Linke). Ihm wäre es am liebsten, wenn zusätzlich eine öffentliche Anhörung stattfinden würde. Doch das ist bislang nicht vorgesehen. Noch etwas bedauert Neskovic: "In den 20 Jahren seit der Wiedervereinigung ist noch nie ein Richter mit Ost-Biografie gewählt worden." Allgemein wird davon ausgegangen, dass alle drei Vorgeschlagenen auch gewählt werden. "Es gibt derzeit keine anderen Kandidaten", sagt die ehemalige Justizministerin Brigitte Zypries, die für die SPD im Ausschuss sitzt. Das parteipolitisch geprägte Auswahlverfahren sieht Udo di Fabio, mit knapp elf Jahren Amtszeit einer der erfahrensten Verfassungsrichter, übrigens ganz entspannt. Die Erfahrung zeige, dass die meisten Richter sich schnell von Parteibindungen lösten, sobald sie in Karlsruhe seien. "Viele unterschätzen auch", sagt di Fabio, "dass in den internen Beratungen vor allem eins zählt: das juristische Argument."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Die Wahl von Präses Nikolaus Schneider zum Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland kommentiert der "Westfälische Anzeiger" (Hamm): Schneiders Profil kann sich dank noch fehlender Popularität zwangsläufig nicht an seinem Namen festmachen.
Die Wahl von Präses Nikolaus Schneider zum Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland kommentiert der "Westfälische Anzeiger" (Hamm): Schneiders Profil kann sich dank noch fehlender Popularität zwangsläufig nicht an seinem Namen festmachen.
Mit dem Streit um den Castor-Transport und um Gorleben als Endlager für Atommüll beschäftigt sich der Kommentar der "Badischen Zeitung" aus Freiburg: Es grenzt an Heuchelei, wenn speziell Grüne und SPD neuerdings theatralisch das Fehlen eines Endlagers be
Mit dem Streit um den Castor-Transport und um Gorleben als Endlager für Atommüll beschäftigt sich der Kommentar der "Badischen Zeitung" aus Freiburg: Es grenzt an Heuchelei, wenn speziell Grüne und SPD neuerdings theatralisch das Fehlen eines Endlagers be