Mit Angela bis nach Waterloo

Es gibt zwei Bilanzen der Angela Merkel: Zum einen die der Bundeskanzlerin. Da vergleicht Finanzminister Wolfgang Schäuble sie schon mit Napoleon - nur sei ihre Regierungskunst besser. Dann gibt es noch die Bilanz der CDU-Parteivorsitzenden.

Hier ist das Bild anders. Die große Volkspartei CDU regiert nach 14 Jahren Merkel nur noch in fünf Bundesländern mit, weniger als die Grünen, die an acht Kabinettstischen sitzen. Unter den zehn größten deutschen Städten wird keine mehr von der Union geführt. Erst kommt Merkel - und dann ganz, ganz lange nichts.

Die CDU ist eine leere Hülle geworden. Wenn Angela Merkel dereinst gehen sollte, fällt die Partei in sich zusammen wie ein Soufflé. Man stelle sich nur für einen Moment vor, was passieren würde, wenn Ursula von der Leyen, Thomas de Maizière oder Annegret Kramp-Karrenbauer übernehmen müssten. Dann brächen sofort personelle Graben- und inhaltliche Richtungskämpfe aus. Vom Umgang mit der neuen Konkurrenz AfD über die innenpolitische Gangart gegenüber Islamisten bis hin zur Familienpolitik , dem Euro und Russland ginge es. Denn nichts ist in der CDU wirklich klar. Ihre Politik wird seit langem im Kanzleramt gemacht.

Der Kölner Parteitag hat das eindrucksvoll bestätigt. Man muss sich das vorstellen: Die führende Regierungspartei des viertgrößten Industriestaates der Welt und der wichtigsten europäischen Nation kommt einmal im Jahr zur Positionsbestimmung zusammen, diesmal in einer Zeit besonders großer Krisen, und redet über - Belanglosigkeiten. Über die Kalte Progression, Burka-Verbot und eine Personalie in der dritten (!) Reihe der Parteiführung, den strittigen Posten eines Präsidiums-Beisitzers. Das waren schon die Höhepunkte.

Die Parteichefin scheint immerhin begriffen zu haben, dass ihre bisher so erfolgreiche Wahlkampfstrategie der "asymmetrischen Demobilisierung" - das ist das Einschläfern des Gegners durch inhaltliche Unbestimmtheit - inzwischen zur Sedierung des eigenen Ladens zu führen droht. Deshalb stilisiert sie schon jetzt die nächste Bundestagswahl zu einer Richtungswahl gegen Rot-Rot-Grün. Eine Art Weckruf. Diese Strategie hat jedoch zwei Kehrseiten: Erstens muss Merkel, wenn ein solcher Angstwahlkampf nicht zur absoluten Mehrheit führt, danach womöglich mit den Grünen regieren. Das entleert die CDU dann noch mehr. Und zweitens muss sie, wenn sie so redet, natürlich auch selbst für eine solche Entscheidungsschlacht zur Verfügung stehen. Das Ergebnis von Köln ist also, dass die Ära der merkelschen Allmacht in der Union noch eine ganze Weile weitergehen soll und wird. Bei Kaiser Napoleon war übrigens schon nach zehn Jahren Schluss. Nach Waterloo.

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