Minister Rösler nach 100 Tagen vorm Praxistest

Berlin. Philipp Rösler ist ein Schnellredner. Wann immer er kann, sucht er seine Zuhörer mit Charme und scharfer Zunge zu gewinnen. Nur über seine Pläne schweige er sich immer noch aus, wirft die Opposition dem FDP-Gesundheitsminister nach bald 100 Tagen im Amt vor

Berlin. Philipp Rösler ist ein Schnellredner. Wann immer er kann, sucht er seine Zuhörer mit Charme und scharfer Zunge zu gewinnen. Nur über seine Pläne schweige er sich immer noch aus, wirft die Opposition dem FDP-Gesundheitsminister nach bald 100 Tagen im Amt vor. Tatsächlich griff Rösler am Freitag in eine hitzige Debatte im Bundestag nur von der Regierungsbank aus ein, mit zurückhaltenden Gesten. Mit Details über die geplante Gesundheitspauschale hält er sich auch sonst zurück. "Es ist etwas schwieriger, als ich mir das vorgestellt habe", räumte Rösler dieser Tage ein - hunderte Ärzte nickten verständnisvoll. Das war beim Neujahrsempfang der Mediziner. Drinnen war es voll, draußen pfiff ein eisiger Wind. Der Arzt Rösler wärmt die Herzen der Zuhörer und scheint dabei alle Urteile über angebliche Klientelpolitik zu bestätigen. "Die neue Bundesregierung ist angetreten, um ihnen das Leben ein bisschen einfacher zu machen", sagt Rösler. Doch dann rudert er zurück: "Ich bin nicht der Bundesminister der Ärzte." Doch seine Initiativen bleiben schillernd. Kliniken will er von Kontrollen befreien. Und just während sich die Wogen der Kritik vor Rösler aufbauen, bestätigte der Verband der privaten Krankenversicherung (PKV) am Freitag noch einmal den Wechsel seines Vizechefs als Abteilungsleiter ins Rösler-Ressort. Aus der "Politbarometer"-Liste des ZDF der zehn wichtigsten Politiker ist Rösler jetzt herausgefallen. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe sind ihm bekannt. Stärker als bisher betont er jetzt, er arbeite für alle 80 Millionen Versicherten. Als Fraktionschef in Niedersachsen trat der gläubige Katholik mit dem Appell an seine Partei hervor, stärker Mutmacher für mehr Solidarität zu sein. Doch was heißt das, da er mit bald 37 Jahren für einen der größten Sozialbereiche zuständig ist? Die Gesundheitsprämie soll unabhängig vom Einkommen pauschal zu zahlen sein, die Arbeitgeber sollen mit den wohl weiter steigenden Kosten nichts mehr zu tun haben - aus Steuermitteln sollen Ärmere einen Ausgleich bekommen. Doch woher soll das Geld kommen? Finanzminister Schäuble (CDU) ließ Erwägungen eines Gesundheits-Solis als Einkommensteuerzuschlag kolportieren. Wohl wissend, dass die FDP davon nichts wissen will. "Deswegen sagen wir, wir wollen schrittweise vorgehen. Das ist möglich", beteuert Rösler. Offen legt aber mittlerweile CDU-Experte Jens Spahn die Axt an die FDP-Pläne einer großen Reform mit umfassender Pauschale. Im Bundestag kündigte er an, vor allem müsse die Obergrenze bei den Zusatzbeiträgen gekippt werden und dann ein Sozialausgleich kommen. Das hört sich anders an als bei Rösler, nicht nach Systemwechsel. Auch Kanzlerin Angela Merkel scheut angeblich den großen Wurf.Bei FDP-Parteitagen gibt es außer Westerwelle kaum jemanden, dem die Delegierten so an den Lippen hängen wie Rösler. Doch jetzt steht der Praxistest an - eine Riesenaufgabe. Ein neuer Steuerausgleich trotz geplanter Steuersenkungen, das Ganze für Bedürftige, aber ohne neue Prüfbürokratie? Rösler will die Quadratur des Kreises bis Mitte Sommer mit einer Regierungskommission schaffen. Der smarte Hobby-Bauchredner betont immer wieder freundlich lächelnd seine Gelassenheit. Am Freitag im Bundestag war das zeitweise anders. Als ihm Parteifreundin Ulrike Flach vom Rednerpult aus verspricht, es werde "eine schwere Aufgabe, aber wir sind an Ihrer Seite", nickt Rösler ernst.

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