Millionen gegen den "Pharao"

Meinung · Mit ihren Kindern an der Hand oder gar auf dem Rücken von Kamelen versammelten sich hunderttausende Ägypter zum "Marsch der Millionen" in Kairo und anderen Städten des Landes. Es war die größte Demonstration, die Ägypten je erlebte. Mit diesem machtvollen Zeichen brachen die Unzufriedenen den Willen von Präsident Husni Mubarak, der seit drei Jahrzehnten das 80-Millionen-Volk beherrscht

Mit ihren Kindern an der Hand oder gar auf dem Rücken von Kamelen versammelten sich hunderttausende Ägypter zum "Marsch der Millionen" in Kairo und anderen Städten des Landes. Es war die größte Demonstration, die Ägypten je erlebte. Mit diesem machtvollen Zeichen brachen die Unzufriedenen den Willen von Präsident Husni Mubarak, der seit drei Jahrzehnten das 80-Millionen-Volk beherrscht.In nur sieben Tagen hat sich das Land am Nil in schier unglaublicher Weise gewandelt. Als vor einer Woche Zehntausende die Jahrzehnte alte Barriere der Furcht umstießen und auf die Straßen strömten, protestierten sie gegen Arbeitslosigkeit, niedrige Löhne, hohe Preise und gigantische soziale Ungerechtigkeiten. Niemand glaubte damals, das Regime könne ernsthaft gefährdet sein. Heute hat sich der Protest personalisiert. Die Massen wollen den Abgang des Diktators, des "Pharao". Sofort.

Entscheidend wird nun die Position des Militärs sein, das seit dem Sturz der Monarchie 1952 die Stabilität des Landes und seiner Regime garantierte. Alle Staatschefs kamen seither aus den Reihen der Offiziere, die das System aufbauten, erhielten und schützten - auch zu ihrem eigenen Vorteil. Mubarak konnte sich sicher fühlen. Doch auch das ist nun anders: "Das Volk und die Armee sind eins" lautet einer der populärsten Slogans. Die Streitkräfte ermöglichten gestern Hunderttausenden, ihren Protest zu zelebrieren, vor den aus den USA gelieferten Panzern.

Am Abend zuvor hatte die Armeeführung signalisiert, dass sie keine Gewalt anwenden werde. Noch aber lassen die Offiziere den Präsidenten nicht fallen. Offensichtlich geht es darum, Mubarak einen gesichtswahrenden Abgang zu sichern. Und der "Pharao" wehrt sich hartnäckig gegen öffentliche Demütigung. Mubarak versuchte, mit Hilfe des neuen Vizepremiers Omar Suleiman Zeit zu gewinnen. Er versprach Maßnahmen zur Linderung sozialer Nöte und erstmals einen Dialog mit der Opposition.

Auf der anderen Seite haben sich einige der wichtigsten politischen Bewegungen zusammengeschlossen. Ideologisch völlig unterschiedlich, sind sie geeint durch die Forderung nach Mubaraks sofortigem Rücktritt und die vage Grundidee von demokratischer Veränderung und sozialer Gerechtigkeit. Verhandeln wollen sie erst, wenn der Diktator das Land verlassen hat.

Die Militärführung dagegen setzt offenbar weiter auf freie Präsidentschaftswahlen im September. Sie würden einen "natürlichen" Abtritt Mubaraks ermöglichen, der dann nicht mehr antreten will. Ein derart aufgeschobener Wandel jedoch könnte sich als Katastrophe erweisen - nicht nur für Ägyptens Wirtschaft, die bereits gravierende Schäden erlitten hat.

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