Milliarden-Poker mit 27 Spielern

Brüssel. Herman Van Rompuy ist erkennbar bereit, hart durchzugreifen. Noch bevor sich die 27 Staats- und Regierungschefs am nächsten Donnerstag treffen, um über einen Finanzrahmen für die Jahre 2014 bis 2020 zu streiten, hat der Ratspräsident die Damen und Herren ab zehn Uhr zu Einzelgesprächen einbestellt. Obwohl alles danach aussieht, will der Belgier den EU-Gipfel nicht scheitern lassen

Brüssel. Herman Van Rompuy ist erkennbar bereit, hart durchzugreifen. Noch bevor sich die 27 Staats- und Regierungschefs am nächsten Donnerstag treffen, um über einen Finanzrahmen für die Jahre 2014 bis 2020 zu streiten, hat der Ratspräsident die Damen und Herren ab zehn Uhr zu Einzelgesprächen einbestellt. Obwohl alles danach aussieht, will der Belgier den EU-Gipfel nicht scheitern lassen. Dabei liegt wahrlich genug Zündstoff auf dem Tisch.993 Milliarden Euro gab es für die laufende, siebenjährige Finanzperiode bis 2013. Die Kommission will fünf Prozent mehr, 973 Milliarden hat Van Rompuy nun vorgeschlagen und die zweiprozentige Kürzung durch Streichungen bei der Landwirtschaft und den für die jungen Mitgliedstaaten so wichtigen Strukturfonds erreicht. Doch die weniger entwickelten Regionen gehen auf die Barrikaden. Rumäniens Premier Victor Ponta hat bereits ein Veto angekündigt.

Die lettische Führung blockiert ebenfalls, weil bei ihr in 90 Prozent der öffentlichen Aufträge europäisches Geld steckt. Der britische Regierungschef David Cameron droht ebenfalls ein "Nein" an. Frankreichs Staatschef François Hollande will Streichungen bei seinen aufmüpfigen Bauern auf keinen Fall akzeptieren - und Bundeskanzlerin Angela Merkel besteht seit Monaten auf massiven Kürzungen der EU-Etats, weil alle Mitgliedstaaten sich ja selbst eine Schuldenbremse verordnet haben. 2005, als nach einem ebenfalls geplatzten Sondergipfel die Verhandlungen über den Finanzrahmen 2007 bis 2013 schließlich erfolgreich endeten, war sie es noch, die mit einer 100 Millionen-Zusage an Polen den Durchbruch ebnete. Doch davon kann keine Rede mehr sein. Brüssel müsse selber sparen, heißt es. 500 Millionen weniger soll die Verwaltung bekommen, eine 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich einführen und das Rentenalter auf 67 heraufsetzen.

Ob die unterschiedlichen Interessen wirklich vereinbar gemacht werden können, erscheint fraglich, weil alle Staats- und Regierungschefs mit einem vorzeigbaren Erfolg nach Hause kommen wollen. Denn andere positive Ergebnisse dürften vorerst ausbleiben. Auf dem Dezember-Gipfel wollten die 27 Chefs eigentlich die Reform der Wirtschafts- und Währungsunion beschließen. Bisher steht nur fest, dass nicht einmal die Bankenunion rechtzeitig fertig wird. Frankreich hat eine Reform der Geldinstitute, wie Brüssel sie gefordert hat (Trennung des Kundengeschäftes vom Investment-Bereich), ausgesetzt. Auch die deutsche Forderung nach umfassenden Vertragsänderungen kommt vor 2014 nicht zustande.

Allerdings fragt man sich in Brüssel inzwischen, ob ein Scheitern beispielsweise an einem britischen Veto nicht sogar einkalkuliert sein könnte. Schließlich würde Cameron dann als Sieger nach London zurückkehren und wäre anschließend in der Lage, "unbemerkt einzuknicken". Zumal Ratspräsident Van Rompuy sogar angeboten hat, den umstrittenen Briten-Rabatt in Höhe von 3,6 Milliarden Euro beizubehalten. Dass die anderen dabei mitmachen, scheint absehbar. Schließlich profitieren auch Deutschland, die Niederlande und Schweden von Nachlässen. Berlin bekommt pro Jahr einen Rabatt von 2,3 Milliarden Euro. Erst scheitern und dann einigen: In Brüssel wird in diesen Tagen alles für denkbar gehalten.

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