Merkels Trommelwirbel

Meinung · So hart hat Angela Merkel selten geredet. Mit ihr werde es keine gesamtschuldnerische Haftung in Europa geben, sagte Merkel gestern im Bundestag. Am Vortag soll sie intern sogar hinzugefügt haben: "So lange ich lebe." Es war die Einstimmung auf den heutigen EU-Gipfel. Kriegstrommelei.Möge die Kanzlerin lange leben - und mag die gemeinschaftliche Schuldenhaftung trotzdem kommen

So hart hat Angela Merkel selten geredet. Mit ihr werde es keine gesamtschuldnerische Haftung in Europa geben, sagte Merkel gestern im Bundestag. Am Vortag soll sie intern sogar hinzugefügt haben: "So lange ich lebe." Es war die Einstimmung auf den heutigen EU-Gipfel. Kriegstrommelei.Möge die Kanzlerin lange leben - und mag die gemeinschaftliche Schuldenhaftung trotzdem kommen. Merkels Argumente sind im Prinzip zwar richtig: Jeder muss für seine Schulden gerade stehen, wir wollen nicht für die Verschwendung der Südländer zahlen, und Eurobonds sorgen nur dafür, dass Reform-Elan schlagartig erlischt. Und trotzdem ist diese Position nicht mehr zu halten.

Es geht nämlich längst nicht mehr um ordnungspolitische Prinzipienhuberei. Das Kind Euro-Stabilität ist bereits in den Brunnen gefallen. Auch mit deutschem Zutun, zumindest unter klammheimlicher Duldung erst Kohls, dann Schröders, sogar Merkels: Die weichen Maastricht-Kriterien, die Aufnahme Griechenlands in die Eurozone, die mangelnde Umsetzung des Stabilitätspakts, die eigene Verschuldung - man hat das alles gewusst oder hätte es jedenfalls wissen können. Jetzt ist die Waage gekippt. Anders als Deutschland haben die Südländer nicht die Wirtschaftskraft, um bei Zinsraten von sieben, zehn und mehr Prozent jemals wieder aus der Abwärtsspirale herauszukommen. Deutschland aber zahlt heute kaum mehr als null Prozent Zinsen, weil die Flucht des Geldes von Süd nach Nord längst eingesetzt hat. Um ein anderes Bild zu gebrauchen: Die Maus Griechenland kann noch so sehr strampeln, aus dieser Milch wird keine Butter mehr. Sie ersäuft. Und vielleicht ergeht es nicht nur Griechenland so. Dann haben auch wir ein gewaltiges Problem. Zuerst mit unserem Export, dann mit unserer Bonität.

Freilich steckt hinter der Debatte um Eurobonds in gewisser Weise auch ein Streit um des Kaisers Bart. Würde man jetzt und ohne Bedingungen Schulden vergemeinschaften, um den Zinsdruck zu mindern, dann würde all das eintreten, was Merkel und auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann befürchten. Dann würde man in der Tat den letzten Schritt zuerst machen. Das aber will niemand, dieser Vorwurf ist ein Popanz. Beim Gipfel in Brüssel liegt heute ein Papier vor, das die Ausgabe gemeinsamer Schulden "abhängig vom Fortschritt bei der fiskalischen Integration" empfiehlt. Also abhängig vom Durchgriffsrecht auf die Haushalte jedes Mitgliedslandes. Erst die Fiskalunion, dann die Schuldenunion. Nur in dieser Reihenfolge geht es. Es ist gut und richtig, wenn Merkel auf dieser Reihenfolge besteht. Aber in dieser Reihenfolge muss es dann auch kommen. Und zwar möglichst lange Zeit vor ihrem Ableben.

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