Merkels schwierigste Zeit

Die Fülle der Probleme ist es nicht, die 2015 für Angela Merkel so schwer macht. Sie hat in den zehn Jahren ihrer Kanzlerschaft - an diesem Sonntag ist das Jubiläum - schon einiges erlebt: Weltwirtschaftskrisen , europäische Krisen, Kriege in der Nachbarschaft, Rücktritte, NSA- und BND-Affären, verlorene Landtagswahlen in Serie, der Atom ausstieg.

Und jetzt die historische Flüchtlingswelle und der Terror. Das ist bisher wahrlich eine herausfordernde Regierungszeit.

Aber so richtig schwer macht es ihr neuerdings die eigene Partei. Zum ersten Mal gibt es wegen ihrer Flüchtlingspolitik einen richtigen Aufstand gegen sie, nach einer ersten kleinen Revolte bei der letzten Griechenland-Abstimmung. Er reicht von ganz oben, bei Wolfgang Schäuble , Thomas de Maizière und Horst Seehofer angefangen, bis runter zu vielen Landräten und Bürgermeistern. Der Respekt hat gelitten. Merkel ist geschwächt, und das ist dem Volk nicht verborgen geblieben. In Europa muss sie um die Abnahme von Flüchtlingen betteln, in der Türkei um Grenzsicherung. Kriegsallianzen bestimmen international die Musik. Beim G20-Treffen in Antalya stand die angeblich mächtigste Frau der Welt ziemlich am Rande.

Merkel hat ihre Partei modernisiert wie kein anderer vor ihr. Die Familienpolitik, die Energiewende, die Sozialpolitik, dazu zurückhaltende Militär einsätze und die Abschaffung der Wehrpflicht. In der Union haben diese Linksverschiebungen die ganze Zeit längst nicht alle gut gefunden. Sie haben aber alle geschwiegen, weil Angela Merkel für sie immer Wahlen gewann. In der Flüchtlingskrise aber reden die bisher Schweigenden nun und schlagen zurück, schon weil sie um ihre lokalen Wahlsiege fürchten. Denn rechts von der Union etabliert sich Konkurrenz. Und jetzt sieht man, wie schwach die eigene Hausmacht der Kanzlerin ist. Eigentlich hat sie gar keine.

Allerdings, Angela Merkel ist geschmeidig genug, um mit Widerstand umzugehen. Sie wird Kompromisse mit ihren Gegnern suchen, und seien es Formelkompromisse ohne praktischen Wert. Ein elftes und sogar zwölftes Jahr Kanzlerschaft kann sie auch deshalb schaffen, weil es keinen vorzeigbaren Konkurrenten aus den eigenen Reihen gibt. Der fehlt den potentiellen Putschisten zum vollendeten Putsch. Angela Merkel ist sozusagen für sich selbst alternativlos geworden. Aber wie lange gilt das? Eigentlich wollte sie 2017 wieder zur Wahl antreten, doch es würde nicht verwundern, wenn sie nach den jetzigen negativen Erfahrungen zögerte. Denn sie wollte nie wie Helmut Kohl enden, der seine Amtszeit überdehnte, bis man seiner überdrüssig war. Erste Anzeichen dafür gibt es nach zehn Jahren nun auch bei ihr.

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