Merkels riskante Wahlkampfhilfe

Meinung · Die Sozialisten in Frankreich und Deutschland sind empört, die Grünen machen sich lustig und selbst der Koalitionspartner FDP fordert mehr Zurückhaltung

Die Sozialisten in Frankreich und Deutschland sind empört, die Grünen machen sich lustig und selbst der Koalitionspartner FDP fordert mehr Zurückhaltung. Die Wahlkampfhilfe, die Bundeskanzlerin Angela Merkel Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy bei ihrem gemeinsamen Fernsehinterview gegeben hat, sorgt auf beiden Seiten des Rheins wenn nicht für Aufruhr, so doch für Stirnrunzeln in den politischen Lagern. Doch die Reaktion ist unbegründet. Denn die politische Neutralität gegenüber den europäischen Nachbarn, die von Merkel gefordert wird, hat es nie gegeben. So unterstützte der britische Premierminister Tony Blair 2002 Gerhard Schröder im Wahlkampf, ein paar Jahre später dann Merkel. Und seitdem ist Europa immer enger zusammengewachsen. Die Krise hat diese Tendenz noch verstärkt.Die Politik eines Euro-Landes wie die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Staatsverschuldung bleibt inzwischen nicht mehr ohne Folgen für seine EU-Partner. Im Grunde geht es hier also um europäische Innenpolitik. Deshalb ist es durchaus legitim, dass Merkel nun Sarkozy unterstützt. Sein Wahlsieg wäre europolitisch in ihrem Interesse. Der sozialistische Kandidat François Hollande hat bereits angekündigt, er wolle die EU-Beschlüsse zur Schuldenkrise neu verhandeln, Eurobonds einführen und eine stärkere Beteiligung der Europäischen Zentralbank in der Krise durchsetzen, sollte er die Wahl gewinnen. Überhaupt entspricht der wirtschaftspolitische Kurs der französischen Sozialisten keinesfalls der moderaten Linie der deutschen SPD, auch wenn diese inzwischen Hollande ebenfalls Wahlkampfhilfe versprochen hat. Dagegen huldigt Sarkozy dem deutschen Kurs und fordert wie die Kanzlerin harte Reformen und Haushaltsdisziplin in den Euro-Ländern.

Ob Merkels Wahlkampfhilfe für Sarkozy etwas bringt und überhaupt klug ist, ist eine andere Frage. Der Vorsprung Hollandes in Umfragen erscheint derzeit zu groß, als dass ihr Doppel-Interview mit Sarkozy oder ihr Lob daran etwas ändern könnten. Deshalb geht Merkel ein Risiko ein, wenn sie einzig und allein auf Sarkozy setzt, der seine Kandidatur für eine zweite Amtszeit im Übrigen noch nicht einmal offiziell bekannt gegeben hat. Sie täte gut daran, Hollande zumindest zu einem Gespräch zu empfangen. Denn ansonsten besteht die Gefahr, dass er ihr im Falle eines Wahlsiegs erstmal die kalte Schulter zeigt. Deutschland und Frankreich sind jedoch im Kampf gegen die Euro-Krise aufeinander angewiesen. Brüskiert Merkel Hollande nun zu sehr, könnten beide Seiten mit einer dann mühsamen und langsamen Annäherung für die Bekämpfung der Krise wertvolle Zeit verlieren, sollte er Präsident werden - wofür derzeit vieles spricht.

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