Merkel und die griechischen Windmühlen

Berlin · Käme der "Grexit", würde Kanzlerin Angela Merkel wohl zur Ritterin von der traurigen Gestalt. Denn der Austritt Griechenlands aus dem Euro wäre zugleich so etwas wie das große Scheitern der Merkelschen Rettungspolitik, die seit nunmehr fünf Jahren andauert.

Die Kanzlerin hätte dann gegen Windmühlen gekämpft. Angetrieben von der Überzeugung, dass bei einem "Grexit" womöglich die Folgen für Europa insgesamt und die Belastungen für die Steuerzahler dramatischer wären als bei immer neuen Hilfsprogrammen.

Merkel, die mächtigste Frau Europas, hatte immer Größeres im Sinn. Doch der Makel, Griechenland und die Eurozone , ja sogar das europäische Projekt nicht bewahrt zu haben, könnte an ihrer Kanzlerschaft kleben bleiben. Soweit ist es allerdings noch nicht, auch wenn die Opposition dieses Lied bereits singt. Sogar beim Koalitionspartner gibt es Absetzbewegungen - die SPD wittert ihre Chance, sich im Sog der Griechenlandkrise auf Merkels Kosten zu profilieren. Dabei haben die Genossen den Weg für die Hilfspakete stets mit freigemacht.

Andererseits gilt ebenso: Mit dieser Kanzlerin geht so schnell nichts nach Hause, zumindest nichts Negatives. Die NSA-Affäre nicht, der BND-Skandal nicht, auch nicht die immensen Probleme bei der Energiewende . Mit Merkel verbinden die Bürger nicht das Scheitern, auch nicht der Ukraine-Politik, sondern den Erfolg versprechenden Versuch. Es zumindest probiert zu haben, wird der Kanzlerin ein ums andere Mal hoch angerechnet - obwohl der durchschlagende Effekt ausbleibt. Davon können andere Politiker nur träumen.

Im Falle Griechenlands kommen noch ein paar spezielle Dinge hinzu. In anderen europäischen Krisenländern hat die harte Reformpolitik gefruchtet, Spanien und Irland sind auf einem guten Weg, selbst Athen konnte im vorigen Jahr Anzeichen einer leichten ökonomischen Erholung vermelden. Merkel könnte bei einem "Grexit" also glaubhaft vermitteln, dass das Problem nicht die europäischen und internationalen Daumenschrauben sind, sondern die innergriechischen Zustände. Korruption , Missmanagement, Selbstbedienungsmen talität. Auf die Behebung dieser Übel hat die Kanzlerin seit Jahren gedrängt. Ohne Erfolg. Wäre Griechenland daher ein Land in der Dritten Welt, spräche man von einem gescheiterten Staat.

Athen hat sich seit Ausbruch der Krise immer wieder Zeit erkauft, und zwar mit Hilfe der Kanzlerin. Jetzt sieht es so aus, als ob alles verzockt sein könnte. Das griechische Spiel so oft mitgemacht zu haben, das ist der eigentliche Vorwurf, den sich Merkel gefallen lassen muss. Und der wird inzwischen auch in der Union nicht mehr nur klammheimlich erhoben. Dass sich in der jüngsten Fraktionssitzung dazu niemand zu Wort gemeldet hat, obwohl die Stimmung der meisten Abgeordneten angesichts der bisherigen Rettungspolitik miserabel ist, sollte die Kanzlerin nicht beruhigen. Es bedeutet nämlich nicht, dass die eigenen Leute ihr noch bedingungslos folgen. Die Zurückhaltung war eher dem Umstand geschuldet, der griechischen Tragödie jetzt nicht auch noch einen Akt aus Berlin hinzufügen zu wollen. Doch es wird noch zum Schwur kommen, dann nämlich, wenn der Bundestag wieder über Merkels Griechenlandpolitik abstimmen muss. Das wird diesmal auch ein besonders heißer Tanz für die Kanzlerin selbst werden.

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