Merkel soll beim Heimspiel angreifen

Stralsund/Sparow · Analyse Die Kanzlerin wird heute in Mecklenburg-Vorpommern Spitzenkandidatin der CDU. Die AfD ist ihr dort auf den Fersen. Hauptthema ist aber Martin Schulz.

- Angela Merkel steht unter Zugzwang. Von links erhöht die SPD sieben Monate vor der Bundestagswahl den Druck. Seit sie Martin Schulz als Kanzlerkandidaten nominiert haben, marschieren die Sozialdemokraten mit Riesenschritten aus dem ewigen Umfragetief und liegen auf Augenhöhe mit der Union. Der drohen zudem mehr Wähler als noch 2013 an die AfD verloren zu gehen. Das schürt Unruhe bei CDU und CSU.

Immer lauter werden daher die Forderungen, die Kanzlerin und CDU-Bundesvorsitzende möge doch endlich in den Wahlkampfmodus schalten und auch emotionaler um Wähler werben. So richtet sich nun alle Aufmerksamkeit auf Stralsund, wo die CDU Mecklenburg-Vorpommerns heute ihre Kandidatenliste für die Bundestagswahl aufstellen und Merkel erneut zu ihrer Spitzenkandidatin wählen will. Von der Kanzlerin wird bei ihrem Auftritt in der Provinz Klartext erwartet.

Klartext, darauf setzt auch die AfD, die - offenbar wohlkalkuliert - ebenfalls am Wochenende ihren Spitzenkandidaten in Mecklenburg-Vorpommern wählen wird. Landesparteichef Leif-Erik Holm will die AfD im Nordosten in den Wahlkampf führen und Merkel das Direktmandat in ihrem angestammten vorpommerschen Wahlkreis 15 streitig machen. Der 46-jährige frühere Radiomoderator dürfte sich bewusst sein, dass ihm der AfD-Nominierungsparteitag im Dörfchen Sparow, nur einen Tag nach der CDU-Vertreterversammlung, besondere Medienaufmerksamkeit verschafft.

Die AfD hatte bei der Landtagswahl im September 2016 in Mecklenburg-Vorpommern 20,8 Prozent der Stimmen erreicht und damit als zweitstärkste Kraft nach der SPD die CDU bundesweit erstmals hinter sich gelassen. In drei Wahlkreisen nahm sie der CDU zudem die Direktmandate ab. Für den CDU-Landesverband, der viele Jahre von Angela Merkel geführt wurde und in dem sie bis heute ihre politische Heimat hat, war das eine besonders schmerzliche Erfahrung.

Der scheidende CDU-Landesparteichef Lorenz Caffier gibt sich dennoch zuversichtlich, dass sich das schlechte Ergebnis bei der Bundestagswahl nicht wiederholt. Er setzt dabei auf die Zugkraft Merkels, die den Menschen gerade auch in den gegenwärtig schwierigen Zeiten Halt und Orientierung gebe.

Der Rostocker Politikwissenschaftler Martin Koschkar bezweifelt, dass AfD-Mann Holm Merkel in ihrem Wahlkreis wirklich ernsthaft gefährden kann. "Viel spannender ist ohnehin, welche Antworten Merkel auf Martin Schulz geben wird."

Nach Ansicht des Politologen gibt es in der Vergangenheit kein anderes Beispiel für einen so kurzfristigen, mit einer Person verbundenen Stimmungsaufschwung für eine Partei wie nun bei Schulz. "Man könnte fast von einer Wechselstimmung sprechen", meint Koschkar, räumt aber ein, dass in den kommenden sieben Monaten noch viel passieren könne.

Ein langfristiges Hoch für ihren Koalitionspartner SPD wird die Kanzlerin um jeden Preis verhindern und wieder mehr Abstand herstellen wollen. Heute in Stralsund muss sie zunächst ihre Basis hinter sich bringen. Das dürfte nicht schwer fallen, hatten ihr doch selbst die Gegner ihrer umstrittenen Flüchtlingspolitik bei der Wahlkreisnominierung Ende Januar volle Unterstützung im Wahlkampf zugesichert. Sie wollen, dass Merkel im September zum achten Mal in Folge ihren Wahlkreis in Vorpommern gewinnt, die Union zum Wahlsieg führt und Kanzlerin bleibt.

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