Merkel in der Satire-Falle

Böhmermann · Ganz sicher wollte Jan Böhmermann mit seinem Gedicht über den türkischen Staatspräsidenten Erdogan eine Debatte um die Satirefreiheit provozieren. Ob er schon alle Weiterungen übersehen hat, weiß man nicht.

Aber bis jetzt ist das Gesamtkunstwerk so gelungen, dass dem Künstler eine weitere Grimme-Auszeichnung gebührt.

Wie Erdogan reagieren würde, konnte Böhmermann voraussehen. Dem reichen schon weit weniger als solche Zoten aus der untersten Schublade, um Amok zu laufen. Wie die Bundesregierung reagieren würde, konnte Böhmermann nur ahnen. Dass Angela Merkel den Text sofort öffentlich kritisierte, war ein Glücksfall für den TV-Mann, zeigte es doch, wie sehr die Kanzlerin bei Erdogan wegen der Flüchtlinge in der Schuld steht. Jedoch hat dieser Kotau den Herrscher am Bosporus erst recht zur Strafanzeige ermuntert - über deren Verfolgung die Bundesregierung nun entscheiden muss. Die Bestimmung im Strafgesetzbuch über die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter macht solche Anzeigen automatisch zur Staatsaffäre. Sie sollte wegreformiert werden, wenn der Böhmermann-Klamauk vorbei ist.

Nun jedenfalls hat Merkel den Salat, nun steht ihr außenpolitisches Interesse direkt gegen die Satirefreiheit. Es ist eine fast perfekte Zwickmühle. Eine Entscheidung gegen eine Strafverfolgung wäre angesichts der ja wirklich erfolgten schweren Beleidigungen Erdogans kaum zu begründen und würde noch mehr Nachahmer wie Dieter Hallervorden auf den Plan rufen. Und dann der diplomatische Zoff! Andererseits würde eine Entscheidung für die Strafverfolgung als Einknicken vor dem Autokraten ausgelegt, zu Lasten deutscher Kunst- und Pressefreiheit. Und auch hier gäbe es womöglich Nachahmer, von Putin bis Kim Jong Un. Ohne Schaden kommt die Kanzlerin da nicht raus.

Aber letztlich muss man ihr raten, die Ermittlungen zuzulassen. Beleidigung ist Beleidigung. Sie könnte sogar argumentieren, dass Deutschland - anders als Ankara - selbst dann die unabhängige Justiz walten lässt, wenn die Regierung ein gegenteiliges Interesse hat und das Gesetz ihr einen Eingriff erlauben würde. So geht Rechtsstaat.

Dann freilich wird es auch für Böhmermann ernst, denn theoretisch stehen drei Jahre Strafe im Raum. Aber deutsche Gerichte würdigen - anders als türkische - auch bei Majestätsbeleidigung die mildernden Umstände, die politisch-künstlerische Absicht des Täters etwa. Eine milde Geldstrafe wäre ein gutes Ende. Leider ist der Grimme-Preis undotiert, Böhmermann müsste sie wohl aus der eigenen Tasche bezahlen. Aber, nicht wahr, ein Kämpfer für die Satirefreiheit, der so gar nichts riskiert, ist nun auch wieder kein richtiger Held. Außerdem war das den Spaß wert.

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