Leitartikel Vertuschung ist das Hauptproblem des Papstes

Papst Franziskus ist ein Reformer. Er versucht starre Traditionen aufzubrechen. Im Zentrum seiner Aufmerksamkeit stehen nicht die besonders eifrigen oder vorbildlichen Christen, sondern arme, kranke oder an den Rand gedrängte Menschen.

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Foto: SZ/Lorenz, Robby

Aus diesen und anderen Gründen setzten viele Menschen zu Recht Hoffnungen auf den Papst. Auch beim Thema Missbrauch macht Franziskus vieles richtig. Er hat bald nach Amtsantritt eine Kommission zum Kinderschutz eingesetzt, die Präventionsmaßnahmen erarbeitet. Der Papst hat Vorschriften verschärft, er trifft regelmäßig Betroffene, die von Mitgliedern des Klerus missbraucht wurden.

Das eigentliche Problem aber bleibt: die Vertuschung, also die jahrzehntelang gepflegte Kultur in der Kirche, das Ansehen der Institution und ihrer Mitglieder höher zu bewerten als das Interesse an Aufklärung und Heilung. Hier zeigt Franziskus große Schwächen, obwohl er von „Null Toleranz“ gegenüber Tätern und denjenigen spricht, die Missbrauch unter den Tisch zu kehren versuchen. Die Kultur der Vertuschung ist die Achillesferse des Papstes.

Das gilt nicht erst, seit ein ehemaliger vatikanischer Nuntius ein Dossier veröffentlicht hat, demzufolge er den Papst bereits vor fünf Jahren von den Taten des ehemaligen Erzbischofs von Washington, Theodore McCarrick, informiert habe. Franziskus erkannte McCarrick, der offenbar mehrere Seminaristen missbraucht hat, erst im Juli die Kardinalswürde ab. Viel zu spät, sollten die Vorwürfe des Nuntius zutreffen.

Der Papst hat sich seit Beginn seines Pontifikats mit Männern umgeben, die in Sachen Missbrauch keineswegs über jeden Zweifel erhaben waren. In seinen Kardinalsrat berief der Papst mindestens zwei Kandidaten, die inzwischen entlarvt sind. Kardinal George Pell, den Franziskus mit den Finanzreformen im Vatikan betraute, steht in Australien vor Gericht, weil er in den 70er Jahren mehrere Jugendliche selbst missbraucht haben soll. Auch der Chilene Javier Francisco Errázuriz, ein enger Weggefährte Bergoglios, hat nachweislich einen Täter gedeckt. Beide sollen im Kardinalsrat demnächst ersetzt werden.

Im Februar hat Franziskus nun einen Krisengipfel im Vatikan einberufen. Die Vorsitzenden aller Bischofskonferenzen sollen zum Thema beraten. Doch überzeugend wirkt all das nicht, solange sie von Kirchenmännern gefasst werden, die drängende Fragen zu ihrer eigenen Vergangenheit nicht beantwortet haben. Das gilt auch für Franziskus selbst, der als Erzbischof von Buenos Aires 15 Jahre Verantwortung in der Diözese trug.

Nach Angaben der Organisation Bishop Accountability, die Daten über kirchliche Missbrauchstäter oder Vertuscher sammelt, entsprach das Verhalten Jorge Bergoglios in mindestens fünf Fällen nicht seinen heutigen Vorgaben. In Fall des 2009 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu 15 Jahren Haft verurteilten Priesters Julio César Grassi stellte Bergoglio nachweislich das Wohl der Kirche über das der Opfer. Solange Franziskus sich seiner Vergangenheit nicht stellt, bleibt er unglaubwürdig.

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