Mann der Mitte

Meinung · Ein Jahr nach seiner Berufung an die Spitze der deutschen katholischen Bischofskonferenz ist klar: Der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch war und ist eine gute Wahl

Ein Jahr nach seiner Berufung an die Spitze der deutschen katholischen Bischofskonferenz ist klar: Der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch war und ist eine gute Wahl. Einen besseren Nachfolger im Geiste und in der Tradition seines Vorgängers Karl Lehmann hätte man sich gar nicht wünschen können: aufgeschlossen gegenüber der Ökumene und dem Dialog mit anderen Religionen, dennoch aber grundkatholisch, ohne eigene Positionen aufzugeben. Und durchaus kritisch gegenüber dem Vatikan und Papst Benedikt XVI., dem er unmissverständlich klar gemacht hat, welche Haltung er und die deutschen Bischöfe zu der umstrittenen ultrakonservativen Piusbruderschaft erwarten: Anerkennung des Zweiten Vatikanischen Konzils mit all seinen Beschlüssen durch die Bruderschaft - oder erneute Exkommunikation ihrer vier Bischöfe.Gerade seine Kritik am Umgang des Vatikans mit dieser Gemeinschaft zeigt übrigens auch den Wert des Konzils. Ohne die dort beschlossene Stärkung der Ortskirchen könnte und dürfte sich Zollitsch so frei gar nicht äußern. Wie es nämlich im Kirchenvolk in Deutschland, also an der Basis aussieht, das weiß niemand besser als er. Gut also, dass Zollitsch sich nicht scheut, Rom seine Meinung zu sagen.Dass der Erzbischof ein Mann der Mitte ist, zeigt auch seine offene Kritik an seinem Amtskollegen Walter Mixa aus Augsburg. Der war wieder einmal übers Ziel hinausgeschossen, als er zu einem unsäglichen Vergleich der Zahl der Abtreibungen der vergangenen Jahre mit den Toten des Holocaust ansetzte. Kühl wies ihn Zollitsch in die Schranken: Natürlich seien die Bischöfe besorgt wegen der hohen Zahl der Abtreibungen. "Aber es wird immer wieder darauf ankommen, dass wir, wenn wir Vergleiche anstellen, die richtigen Proportionen treffen."Das rechte Maß wahren - das ist zweifellos eine von Zollitschs Stärken. Mit seiner klaren Kri-tik an Auswüchsen erdet er gewissermaßen die Kirche in Deutschland neu. Gibt den Gläubigen wieder Sicherheit in der Frage, was sie von ihrer Kirche zu halten haben. Schafft neues Vertrauen in das Vertraute, von dem sich die Kirche zu entfernen schien. Leider ist Papst Benedikt XVI. nicht so offen und unmissverständlich auf die Gläubigen in Deutschland zugegangen. Im Gegenteil, viele erkannten ihn ja gar nicht wieder und mussten fassungslos mit ansehen, welch verheerende Folgen sein großzügiger Umgang mit den Lefebvre-Anhängern auslöste. Das haben Zollitsch und die deutschen Bischöfe nun bei ihrer Jahrestagung korrigiert. Die deutsche Basis hat der römischen Zentrale gezeigt, wie es besser geht.

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