Malu Dreyer wagt den Befreiungsschlag

Trier/Mainz · Wer da geglaubt hat, die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD ) sei nur die nette, sympathische Landesmutter, die ansonsten gefangen ist in den Netzen der Milliarden-Affäre um den Ausbau des Nürburgrings in der Eifel, wurde spätestens gestern eines Besseren belehrt.Die geplante Kabinettsumbildung in Mainz , die gestern bekannt wurde, ist keine kosmetische Korrektur, sie ist ein Befreiungsschlag.

Nürburgring , immer wieder Nürburgring , immer wieder neue Hiobsbotschaften. Ein vernichtender Rechnungshofbericht, der Spruch der EU-Kommission über rechtswidrig geflossene Steuermillionen, Rücktrittsforderungen der CDU-Opposition an die Adresse von Finanzminister Carsten Kühl, Innenminister Roger Lewentz (beide SPD ) und SPD-Fraktionschef Hendrik Hering, ein russischer Oligarch, der plötzlich für den Düsseldorfer Mittelstandsbetrieb Capricorn als Investor einspringt - zuletzt hatte man den Eindruck, dass die rheinland-pfälzische Landesregierung und damit auch die Ministerpräsidentin nur noch Getriebene waren. Und doch kam Dreyers Coup gestern überraschend. Noch in ihrer jüngsten Regierungserklärung hatte sie sich zwar deutlicher als bisher von ihrem Vorgänger Kurt Beck (SPD ) distanziert, aber personelle Konsequenzen im Landeskabinett ausgeschlossen.

Was letztlich den Ausschlag für Dreyers rigoroses Durchgreifen gab, mag die allgemeine Gemengelage gewesen sein. Noch prüft die Staatsanwaltschaft erst, ob sie gegen Kühl und Hering - ehemals für das Zukunftskonzept Nürburgring verantwortlich - wegen des Anfangsverdachts einer Straftat ermittelt. Wäre dies der Fall, könnte es für Dreyer höchst gefährlich werden. Es ist also durchaus nachvollziehbar, dass sie die beiden vorsorglich aus dem Wege räumt.

Und wenn die Regierungschefin schon einmal am Reinemachen ist, macht sie es gründlich. Eineinhalb Jahre vor der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz ist gerade noch Zeit genug, ein SPD-Team nach ihren Vorstellungen zu formen, dem nicht mehr die becksche Handschrift anhaftet. Justizminister Jochen Hartloff und Europaministerin Margit Conrad sind in dieser Rochade nur Randfiguren, die gleichwohl nicht für die Zukunft stehen. Er hat eine Justizreform nicht hingekriegt, sie wurde gar nicht wahrgenommen. Lewentz, der lange Zeit als Beck-Nachfolger gehandelt wurde, bleibt zwar weiterhin als Minister im Mainzer Spiel, ihn braucht die Regierungschefin aber in erster Linie als Landesvorsitzenden der SPD , der die Reihen zusammenhält.

Malu Dreyer hat gestern gezeigt, dass sie nicht nur Ministerpräsidentin von Becks Gnaden ist. Es mag sein, dass sie jetzt in ihrer SPD ein paar Freunde weniger hat. Dafür dürfte sie sich aber umso mehr Respekt in der Öffentlichkeit erworben haben.

Aber auch das ist jetzt endlich klar: Die nächste Landtagswahl wird eine Abstimmung über das Team Dreyer werden. Die Rolle, die die Grünen, der Koalitionspartner der SPD , dabei spielen, ist dagegen völlig offen. Deren Regierungsmitglieder stehen gerade in den eigenen Reihen unter Beschuss, weil die Basis ein eigenständiges Profil im rot-grünen Bündnis vermisst. Und auch eine schwarz-grüne Koalition in Mainz ist noch längst nicht ausgeschlossen.

Isabell Funk ist Chefredakteurin des Trierischen Volksfreunds.

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